Politik/Inland

Virologe Krammer warnt: "Öffnung der Geschäfte nicht klug"

In der Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" lässt der Forscher Florian Krammer aufhorchen. Für ihn kommt die Öffnung des Handels  am morgigen  Montag zu früh. Es sei von einem Anstieg der Infektionszahlen auszugehen.

"Aus virologischer Sicht ist Handelsöffnung nicht klug. Es kann leicht zu einem explosionsartigen Anstieg der Infektionen kommen. Meiner Meinung nach sollte die Zahl der Infektionen unter 500 oder 200 gehen, ehe man lockert." Hintergrund: In Österreich gibt es Bezirke wie Tamsweg oder Murau, wo die 7-Tages-Inzidenz weit über 500 liegt, österreichweit liegt sie bei 265.  Am Sonntag wurden 2.741 Neuinfektionen gemeldet - allerdings sind die Zahlen am Wochenende immer niedriger, weil Meldungen oft erst verspätet gemacht werden.

Warum die Infektionszahlen in Österreich in Relation zu anderen weltweit derart hoch sind, sei einer "gewissen Sorglosigkeit" geschuldet. Florian Krammer zweifelt auch daran, dass die Öffnung der Skipisten höchste Priorität haben soll.

10 Tage Quarantäne vor Weihnachtsfest

"Wenn man heute negativ getestet ist, so kann man morgen schon positiv sein", so Krammer. Ein Test unmittelbar vor dem 24. Dezember sei eine probate Möglichkeit, um eine gewisse Sicherheit zu haben. Wer Weihnachten gemeinsam mit der Familie feiern will, der sollte sich - so Krammers Empfehlung -  10 Tage davor in Quarantäne begeben, um das Risiko zu minimieren.

Krammer forscht an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York (USA) und hat dort kurz nach Beginn der Corona-Pandemie einen der ersten Antikörper-Labortest auf das neue Virus entwickelt. Anhand von Blutproben von Patienten aus dem Mount Sinai-Krankenhaus näherte sich das Forschungsteam nun in der Rückschau an den Ausbreitungsverlauf in der Stadt an, die als eine der ersten außerhalb Chinas stark betroffen war.

Impfstoff: 95 Prozent Effizienz

Angesprochen auf den Impfstoff und die Bedenken, die viele ob der kurzen Forschungszeit haben, sagt Krammer im Gespräch mit Claudia Stöckl, er verstehe die Bedenken. "Unbekannte Dinge sind oft Angst einflößend. Die Impfungen schauen so aus, als wären sie durchgewunken, aber das ist nicht der Fall."

Die Chance, sich mit Corona zu infizieren, sei groß. Ältere Menschen haben das Risiko, an der Erkrankung zu sterben. Zudem bestehe für jeden Erkrankten die Gefahr von Langzeitfolgen und -schäden, die Krammer  "Long Covid" nennt. Die Impfung, mit einer Wirksamkeit von 94 bis 95 Prozent, verringere diese Risiken.

"Der Impfstoff schützt vor Erkrankung, aber nicht vor der Infektion"

Florian Krammer

Angesprochen auf die Pharma-Konzerne und den Entwicklungsstand bei den Impfstoffen, gehe es bei den Impfstoffherstellern nicht um ein "Rennen gegeneinander. Wir müssen im Rennen gegen das Virus gewinnen. Impfstoffe, die sehr verträglich sind, werden sich durchsetzen".

16 Milliarden Impfdosen

Die Firmen, die die Impfstoffe herstellen, hätten aber nicht die Kapazitäten, die ganze Welt zu versorgen. Krammer rechnet vor: 16 Milliarden Impfdosen werden benötigt (zwei Dosen/Mensch), um weltweit zu impfen.

"Der Impfstoff schützt vor Erkrankung, aber nicht vor der Infektion." Die Wirksamkeit des Impfstoffes sei - gemäß Forschungsstand - mit jener einer Zeckenimpfung vergleichbar, müsse also nach ein paar Jahren wohl aufgefrischt werden.

"Werden das Virus nicht eliminieren"

Zuerst werde man Hochrisikogruppen impfen, dann folgen alle anderen Gruppen. Rund sechs Wochen nach den ersten Impfungen werde es zu einem Impfschutz kommen. "Wir werden das Virus nicht eliminieren", jedoch eindämmen können. Damit die Impfung wirkt, brauche es eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent.

"Das Virus werde nicht ausgerottet werden können," sagt Krammer auf Nachfrage und erinnert an Polio. "Das Virus wird bleiben, aber weniger Schaden bringen."

Gegen Impfpflicht

Wenn Eltern, die zur Hochrisikogruppe gehören, geimpft sind, sei im Sommer, ein privates Leben, wie wir es kennen, möglich. Zu Beginn des Sommers werde man wohl auf Masken verzichten können, so der Experte.

Von einer Impfpflicht hält Krammer dezidiert nichts. "Was es braucht ist, dass mehr informiert wird, und man auch transparent mit vorhandenen Informationen ist."