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Strafrechtler zu Kickls Anzeige: „Ungeimpft zu sein, ist keine Weltanschauung“

FPÖ-Chef Herbert Kickl war am Freitag in Höchstform: Nach der Ankündigung des Lockdowns für Ungeimpfte und der Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich wirft er der Regierung „Spaltung“ vor, sie sei „von allen guten Geistern verlassen“, agiere „menschenverachtend und schikanös“.

Besonders groß ist sein Zorn auf ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger – sie will er jetzt sogar anzeigen, weil Köstinger sagte: „Die Zeit für Solidarität mit jenen, die sich aus fadenscheinigen Gründen nicht impfen lassen wollen, ist abgelaufen.“

Kickl sieht darin eine Verhetzung nach § 283 des Strafgesetzbuchs.

Experten wie Farsam Salimi vom Institut für Strafrecht an der Uni Wien nicht – und zwar ganz eindeutig.

Ungeimpfte sind keine geschützte Gruppe

Der Paragraf stellt es unter Strafe, wenn man zu Hass oder Gewalt gegen Menschen aufstachelt, die aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Weltanschauung, Staatsangehörigkeit, Abstammung, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung einer Gruppe angehören.

„Der Paragraf schützt vieles, aber nicht einen bestimmten Personenkreis mit bestimmtem Impfstatus“, sagt Salimi. Ein Impfstatus falle auch nicht unter „Weltanschauung“, wie im Paragrafen genannt, sagt der Strafrechtler auf Nachfrage: „Mag sein, dass es ein Ausdruck einer Weltanschauung ist, sich nicht impfen zu lassen, aber ungeimpft zu sein, ist an sich keine Weltanschauung.“

Zudem bezweifelt Salimi, dass Köstingers Aussagen unter „Hetze“ fallen. „Ein Aufstacheln zu Hass oder Gewalt sehe ich nicht.“ Die Anzeige Kickls dürfte ins Leere gehen.

Anti-Impf-Kampagne

Kickl, der in seiner Wortwahl nicht zimperlich ist, hat seinerseits auch nichts zu befürchten: Seine Äußerungen fallen – ohne sie im Detail zu analysieren – unter „politische Überspitzung“, sagt Salimi. Auch Kickls Anti-Impf-Kampagne sei nicht strafbar – „Hetze“ gibt es im Strafgesetzbuch nur gegen Menschen, nicht gegen eine Sache oder eine politische Maßnahme. Zudem ist Kickl als Nationalratsabgeordneter in Ausübung seines Jobs immun.

Dieses Argument bringt übrigens auch FPÖ-Generalsekretär und Mandatar Michael Schnedlitz vor, der gerade mit einer Anzeige wegen Verhetzung konfrontiert ist.

Schnedlitz soll im Juni, nach der Tötung der 13-jährigen Leonie in Wien, auf seinem Facebook-Profil gepostet haben: „Zuwanderung tötet. Punkt.“ Die Staatsanwaltschaft Wien will wegen Verhetzung gegen ihn ermitteln und ersucht das Parlament um Auslieferung.

Immunität im Job

Schnedlitz’ Anwalt Christoph Völk hält dagegen: „Das Posting war eine Meinungsäußerung und eindeutig seiner beruflichen Tätigkeit als Abgeordneter zuzuordnen.“ Schnedlitz sollte demnach nicht ausgeliefert werden.

FPÖ-Chef Kickl, der in einer anderen Sache von Völk vertreten wird, hatte da weniger Glück: Er hat bei einer Corona-Demo keine Maske getragen, wurde im April vom Parlament ausgeliefert und soll nun Strafe für den Verstoß gegen die Corona-Regel zahlen.

Anwalt Völk hat Beschwerde eingelegt und kündigt an, zum Verfassungsgerichtshof zu gehen, wenn sie negativ ausgeht: „Das Geschäftsordnungsgesetz, wo die Immunität näher geregelt ist, ist viel zu ungenau und sollte geprüft werden.“