Tag eins im Prozess gegen Ex-FPÖ-Chef: Strache wollte "Freundschaft, nix anderes"
Von Ida Metzger
Die Tischreihen aus dem Monsterprozess gegen Karl-Heinz Grasser sind noch nicht weggeräumt. Damals gab es 14 Angeklagte samt Anwälte. Das sprengte alle Dimensionen. Dafür war der Große Schwurgerichtsaal im Wiener Landesgericht nicht ausgestattet. Es mussten extra Tische und Sessel angeschafft werden.
Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache darf nicht an den - vergleichsweise gemütlichen - Tischen samt Sessel, auf denen Karl-Heinz Grasser und Walter Meischberger drei Jahre lang ihren Prozess verfolgten, Platz nehmen.
Strache muss seinen Prozess auf der kleinen Sitzbank für Angeklagte verbringen. Kein Tisch zum Mitschreiben, keine Ablagemöglichkeit für Unterlagen. Die Holzbank teilt er sich mit dem Mitangeklagten Walter Grubmüller. Für vier Tage ist der Prozess wegen Bestechlichkeit und Bestechung angesetzt.
Inkriminiert ist ein von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermuteter Gesetzeskauf im Zusammenhang mit der Privatklinik Währing. Strache wird Bestechlichkeit vorgeworfen. Er bekannte sich - wie auch der mit ihm befreundete Klinik-Betreiber Grubmüller - "nicht schuldig".
Die beiden bestreiten, sich im Zusammenhang mit einer Parteispende Grubmüllers an die FPÖ strafbar gemacht zu haben. Er habe sich von Grubmüller nie finanzielle Zuwendungen für die Partei erwartet, betonte Strache: "Freundschaft habe ich mir erwartet. Und nix anderes."
WKStA: "Schwerwiegende Straftat"
Strache soll laut Anklage dafür gesorgt haben, dass Grubmüllers Klinik während der türkis-blauen Koalition in den sogenannten Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) aufgenommen wurde. Das hatte zur Folge, dass die Einrichtung Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen verrechnen konnte.
Als Gegenleistung für die Änderung des ASVGz und des PRIKRAF-Gesetzes soll Grubmüller der Bundes-FPÖ am 29. August 2017 eine Spende von 10.000 Euro überwiesen und Strache und dessen Ehefrau Ende April/Anfang Mai 2018 übers Wochenende auf Korfu eingeladen und die Kosten für Unterkunft sowie die An- und Abreise mit einem Privatjet übernommen haben. Beide Angeklagte haben die Vorwürfe bisher zurückgewiesen.
Oberstaatsanwältin Silvia Thaller sprach in ihrem Eröffnungsplädoyer von einer "schwerwiegenden Straftat". Es handle sich "um kein Kavaliersdelikt, keine zu vernachlässigende Form von Freunderlwirtschaft". Aus sichergestellten Chats, Zeugenaussagen und weiteren Ermittlungsergebnissen sei "klar ableitbar", dass eine Spende an die FPÖ "nicht aus altruistischen Motiven, sondern in Verbindung mit Amtsgeschäften von Heinz-Christian Strache" ging.
Thaller ortete im Zusammenhang mit der Parteispende "strafbare Korruption", Straches Verhalten sei "strafrechtlich verpönt" gewesen. Es sei ihm "um geldwerte Vorteile für sich, seine Ehefrau und die Partei" gegangen, Strache habe "die vom Strafrecht gezogenen Grenzen überschritten".
"Freundschaftlich verbunden"
Strache gab in seiner Einvernahme an, er sei mit Grubmüller "freundschaftlich verbunden". Er habe diesen 2016 "und nicht 2018" auf Korfu getroffen, Grubmüller habe ihn immer wieder darauf angesprochen, dass er mit seiner Privatklinik Währing benachteiligt und nicht in den sogenannten Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) aufgenommen werde.
Er, Strache, habe sich schließlich nach Einholung von Expertisen von Juristen aus der FPÖ davon überzeugt, dass tatsächlich "ein Missstand" und "eine Ungleichbehandlung" vorlag. Ein "Netzwerk" habe "ganz bewusst mit Mechanismen Konkurrenz" fernhalten wollen, "Uniqua-Kliniken" bzw. Kliniken des Raiffeisen-Verbandes hätten "jegliche Konkurrenz" unterbunden.
In weiterer Folge sei von der FPÖ entschieden worden, dass das Aufgreifen dieses "Missstandes" als "Kernthema" zur FPÖ passe. Es habe Pressekonferenzen und Presseaussendungen zu diesem Thema gegeben. Ein Initiativantrag mit einem Gesetzesvorschlag der FPÖ, der sämtliche Privatkliniken in den PRIKRAF einbinden sollte, sei "die logische Fortsetzung" dessen gewesen, führte Strache aus.
Die FPÖ brachte im Juni 2017- damals war man noch Oppositionspartei - den Initiativantrag im Parlament ein. Das hätten "die Zuständigen im Ausschuss" gemacht, erklärte Strache, die Presseabteilung sei vermutlich auch beteiligt gewesen. Er habe diesen Antrag "nicht beauftragt", betonte er. Die Abgeordneten hätten das selbstständig entschieden: "Wenn ich den Initiativantrag initiiert hätte, hätte ich das unterschrieben."
Der Gesetzesvorschlag war den Ermittlungen zufolge vom FPÖ-Abgeordneten Fritz Simhandl eingebracht worden, der sich dabei auffälligerweise eines Wortlauts bediente, den im Vorfeld Walter Grubmüller der FPÖ übermittelt hatte. FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch zufolge soll der Antrag einem Wunsch "von oben" entsprechend gekommen sein, hatte sie im Ermittlungsverfahren gesagt.
Initiativantrag scheiterte, Regierungsplan ging durch
Strache soll laut Anklage unter pflichtwidriger Vornahme eines Amtsgeschäfts dafür gesorgt haben, dass Grubmüllers Klinik während der türkis-blauen Koalition in den PRIKRAF aufgenommen wurde. Das hatte zur Folge, dass die Einrichtung Leistungen direkt mit den Sozialversicherungen verrechnen konnte. Als Gegenleistung für die Änderung des ASVG und des PRIKRAF-Gesetzes soll Grubmüller der Bundes-FPÖ am 29. August 2017 eine Spende von 10.000 Euro überwiesen und Strache und dessen Ehefrau Ende April/Anfang Mai 2018 übers Wochenende auf Korfu eingeladen.
Das wies Strache in der mehrstündigen Befragung durch Richterin Claudia Moravec-Loidolt zurück. Bei den 10.000 Euro habe es sich "um eine bewusste Wahlkampfspende" Grubmüllers gehandelt, der damit zeigen haben wollen, "dass er sich von seiner Partei (der SPÖ, Anm.) gelöst hat". Einen Bezug zum Initiativantrag habe es nicht gegeben: "Das Eine hat mit dem Anderen nix zu tun."
Von der türkis-blauen Koalition wurde dann tatsächlich per Regierungsvorschlag ein Gesetz umgesetzt, der dem ursprünglichen FPÖ-Antrag entsprach. Dazu erläuterte Strache, man habe bei den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP "begonnen, das alles zu sammeln, alle möglichen Missstände der letzten Jahre". Dabei sei auch der PRIKRAF vorgebracht worden. Details seien "in den Chefverhandlungen zwischen Sebastian Kurz und seinem Team und mir meinem Team überhaupt nicht thematisiert" worden.
Grubmüller half bei Ibiza-Recherchen
Die Freiheitliche Partei sei "nie von Spenden abhängig gewesen und hat auch keine gebraucht. Wir hätten uns gefreut, wenn wir welche gehabt hätten", deponierte der ehemalige Parteiobmann. Und weiter: "Bei uns kann niemand spenden, um unser Programm zu ändern."
Grubmüller sei nach dem Bekanntwerden des Ibiza-Videos zu ihm gestanden und habe ihn "bei der Aufklärung unterstützt", sagte Strache. Diesbezüglich kam gegen Ende des heutigen Verhandlungstags eine Textnachricht Straches an Grubmüller vom August 2019 zu Sprache, wo sich Strache erkundigte, wie lange Grubmüller brauche, um 200.000 Euro auf ein Treuhandkonto eines Anwalts zu erweisen, weil er, Strache, eine Möglichkeit gefunden habe, das gesamte siebenstündige Ibiza-Video zu kaufen.
Darauf von der Anklagevetreterin angesprochen, erklärte der mitangeklagte Grubmüller trocken, er hätte das Video um 200.000 Euro kaufen und um 400.000 Euro verkaufen sollen.
Bestechlich? "Definitiv nicht"
Straches Anwalt Johann Pauer hatte zu Beginn der Verhandlung unter Bezug auf die im Ibiza-Video festgehaltenen Aussagen seines Mandanten festgehalten, für den Ex-Politiker habe immer "alles legal" sein müssen. Strache habe auf Ibiza erklärt, er mache grundsätzlich nichts Rechtswidriges. "Warum sollte so jemand plötzlich etwas Unkorrektes tun?", fragte Pauer. "Die einzige Frage, die wesentlich ist: Ist er bestechlich? Nein, definitiv nicht." Strache habe sich auf Ibiza "zweifellos katastrophal verhalten", sei aber "definitiv nicht bestechlich".
Auch habe es während Straches Amtsträgerzeit keine Vorteilsannahme gegeben, so Pauer. Denn der vorgeworfene Flug nach Korfu habe nicht - wie von der WKStA behauptet - 2018, sondern bereits 2016 stattgefunden. "Es gab in seiner Amtsträgerzeit keine Vorteile, die er angenommen hat", der Vorwurf sei damit widerlegt. Außerdem habe es sich dabei nur um den Rückflug gehandelt, wobei sich Strache an den Kosten beteiligt habe.
Dazu merkte Strache an, es hätte sich 2016 auf Korfu die Möglichkeit ergeben, den Rückflug nach Österreich mit der Privatmaschine Grubmüllers anzutreten. Er habe davon gemeinsam mit seiner Ehefrau Gebrauch gemacht, "bevor wir am Flughafen Schlange stehen". Dafür habe er "einen Beitrag" geleistet, nämlich 1.500 Euro für den Flug plus 200 Euro Trinkgeld bezahlt.
Ende April 2018 habe Grubmüller ihn auf ein Wochenende nach Korfu eingeladen. "Ich habe ihm gesagt, dass das für mich nicht infrage kommt und ich keine Zeit habe", meinte Strache.
Spende "aus politischer Überzeugung"
Straches Anwalt Pauer hob hervor, die 10.000 Euro-Spende Grubmüllers, der seit 40 Jahren SPÖ-Mitglied war und sich dann der FPÖ zuwandte, sei deshalb geflossen, "weil er nicht mehr mit der SPÖ zufrieden war". Die Spende habe nichts mit dem Initiativantrag des FPÖ-Parlamentsklubs, mit dem das ASVG und das PRIKRAF geändert werden sollten, zu tun gehabt. Strache habe sich vielmehr gegen Missstände eingesetzt.
So verwies Pauer auf Aussagen seines Mandanten aus dem Frühjahr 2017, bei dem er im Zusammenhang mit dem PRIKRAF von einem Sumpf im Umfeld der ÖVP gesprochen habe. Und im Initiativantrag selbst sei es nicht um die Privatklinik Währing gegangen, sondern darum, dass jede Privatkrankenanstalt über den PRIKRAF abrechnen kann.
Es sei aus politischer Überzeugung geschehen, betonte Straches Anwalt. Auch Grubmüllers Verteidiger erklärte zuvor, dieser habe sich "für alle Privatkliniken" und nicht nur für die Privatklinik Währing um die Aufnahme in den PRIKRAF bemüht.
Zur Parteispende merkte Grubmüllers Verteidiger an, sein Mandant habe die 10.000 Euro "nicht heimlich", sondern "spontan" an die FPÖ gespendet. Einen Bezug zum PRIKRAF habe es dabei nicht gegeben: "Er wollte kein Gesetz kaufen." Motiv für die Spende sei Enttäuschung über andere Parteien gewesen, während die FPÖ "eine kritische Haltung zur Wirtschaftskammer" an den Tag gelegt habe, was Walter Grubmüller honoriert habe.
Verhältnis "sehr freundschaftlich"
Walter Grubmüller selbst bekräftigte in seiner Einvernahme, er habe der FPÖ "absichtlich 10.000 Euro überwiesen. Ich wollte, dass es an den Rechnungshof geht. Weil mir die Linie der Freiheitlichen Partei bei der Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern gefallen hat". Eine andere Intention habe er nicht gehabt. Strache habe nie eine Parteispende verlangt.
Grubmüller hatte sich über Jahre hinweg vergeblich mit seiner Privatklinik - ein 20-Betten-Haus - um die Aufnahme in den PRIKRAF bemüht. Er brachte dahin gehend sogar eine Klage ein und ging bis zum Verfassungsgerichtshof (VfGH). Er scheiterte mit seinem Ansinnen, "eine sachliche Begründung dafür hat es nicht gegeben", sagte Grubmüller.
Um in den PRIKRAF aufgenommen zu werden, hätten jedoch "andere" (gemeint: nicht die FPÖ, Anm.) von ihm Geld verlangt, diese könne er nicht nennen, "sonst kann ich mir eine Wohnung neben dem Gericht nehmen", deutete Grubmüller an, dass er in dem Fall wohl geklagt würde.
Sein Verhältnis zu Strache bezeichnete Grubmüller als "sehr freundschaftlich. Andererseits war er distanziert". Strache habe ihn unter Anspielung auf seine jahrzehntelange SPÖ-Mitgliedschaft "den Roten" genannt: "Ich weiß nicht, wie sehr er mir vertraut hat."
Bezogen auf finanzielle Zuwendungen an die Freiheitlichen gab Grubmüller zu Protokoll, Strache habe so etwas "mir gegenüber" nie verlangt: "Er hätte nie etwas genommen." Die von der Anklage umfasste Überweisung von 10.000 Euro an die Bundes-FPÖ sei eine "Wahlkampfspende" gewesen: "Ich wollte die Freiheitliche Partei stärken." Einen Konnex zu einer Gesetzesänderung - entsprechende Bemühungen der freiheitlichen Fraktion im Parlament habe er nicht in Anstoß gegeben - zur Begünstigung der Privatklinik Währing habe es nicht gegeben: "Es hat nur einen Konnex mit der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer gegeben."
Grubmüller betonte wiederholt, er habe von Strache nie eine Gesetzesänderung verlangt. Sein Wunsch sei vielmehr gewesen, dass Strache "Lärm macht und die Korruption aufgezeigt wird in Zusammenhang vor allem mit der Wirtschaftskammer".
Und so geht es morgen, Mittwoch, weiter:
Die Verhandlung wird am Mittwoch um 10 Uhr fortgesetzt. Die WKStA wird zunächst ihre Befragung von Strache, die am späteren Dienstagnachmittag begonnen hat, fortsetzen, dann werden Zeugen erwartet.
Für Strache und Grubmüller geht es - sollten sie schuldig gesprochen worden - um Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.