Politik/Inland

Revolution 1848: Flammen und Freiheitsrechte

Der Aufstand beginnt im Landhaus der niederösterreichischen Stände: Im Innenhof des prächtigen Palais im Zentrum Wiens versammeln sich am 13. März 1848 freiheitsliebende Studenten, die gegen den autoritär herrschenden Staatskanzler Clemens Wenzel von Metternich aufbegehren. Selbst die im Landhaus tagenden Stände – Adelige, Gutsherren, Prälaten sowie Wirtschafts- und Städtevertreter – haben die restriktiven Maßnahmen Metternichs satt. Ihnen geht es um eine liberale, moderne Gewerbeordnung.

Doch damit geben sich die Studenten, aufstrebende Bildungselite, nicht zufrieden. Sie wollen das Metternich-System, eine Art Militärdiktatur, stürzen. „Die Studenten sind die Träger der Demokratie, sie verlangen eine Verfassung, Meinungs- und Pressefreiheit“, sagt der Historiker und Direktor des Österreichischen Staatsarchives, Wolfgang Maderthaner.

Zensur

Auch das wissbegierige Bürgertum leidet unter der Zensur von Metternich. „Die Werke der französischen Aufklärer Rousseaus und Montesquieus sind verboten. Metternich ist auch Kulturminister, er fürchtet, dass durch die Aufklärung sein altes Europa zerstört werden könnte.“

Gewaltsam setzt sich der Herrscher gegen die Freiheitsbestrebungen zur Wehr. Die Demonstration der Studenten am 13. März 1848 schlägt das Militär nieder, die Soldaten eröffnen auch das Feuer auf die unbewaffnete Menschenmenge. Es gibt Tote. Heinrich Spitzer, ein jüdischer Technikstudent aus Mähren, ist das erste Opfer.

In den Vorstädten Wiens erheben sich spontan namenlose Proletarier. Sie verlassen ihre Werkstätten, zünden Fabriken an und ziehen mit Prügeln und Eisenstangen über die Mariahilfer Straße. „Ihre Wut war furchtbar, das Leben schien für sie keinen Wert zu haben“, schildert Maderthaner die Ereignisse. Vor dem Burgtor reißen sie Gasleitungsrohre auf, das ausströmende Gas entzündet sich, halb Wien steht in Flammen.

Trotz der Wut und Aggression haben die Arbeiter eine starke Vorstellung von Gerechtigkeit, sie fackeln nicht wahllos alles nieder. „Gute Fabrikanten werden geschont, Unternehmer, die sie ausbeuten, werden gestürmt“, erzählt der Historiker.

In dem Chaos bleibt dem Kaiser nichts anderes übrig als nach Innsbruck zu fliehen, wo er von loyalen Radetzky-Truppen beschützt wird. Der Hof agiert kopflos, die Monarchie steht am Rande des Zerfalls. Die Nationalgarde schaut dem Treiben nicht länger zu, im August 1848 schießen sie auf die revoltierenden Arbeiter. Den Bürgern wird es langsam zu viel, sie ziehen sich schockiert zurück und suchen Halt in den eigenen vier Wänden. Bekannt ist diese Entwicklung als biedermeierlicher Rückzug ins Private.

Auch die Herrschaft Metternichs ist am Ende, der Fürst emigriert nach London.

Die Geschichte des Umbruchs ist in einer Ausstellung mit dem Titel „1848: Die vergessene Revolution“ im Palais Niederösterreich zu sehen (siehe Kasten rechts).

Warum „vergessene Revolution“? „Weil es nahezu aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist, dass die Prinzipien unserer heutigen Gesellschaft in einem revolutionären Akt erkämpft werden mussten“, betont Maderthaner. Er kuratiert mit Michaela Maier die Ausstellung. Am 3. September wurde sie von Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eröffnet.

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Akt des Bürgertums

Die Errungenschaften der modernen Zeit gehen auf 1848 zurück: Auch wenn die Arbeiter dabei waren, für Maderthaner handelt es sich bei der Revolution „in erster Linie um einen Akt des Bürgertums und der Bildungselite gegen einen Polizeistaat, der unerträglich geworden ist“. Freie Wahlen, der Verfassungsstaat und die demokratische Ordnung wären ohne die Revolution von 1848 nicht möglich. „Die Errungenschaften sind nicht garantiert, sondern müssen permanent erkämpft werden“, warnt der Historiker.

Auf die kriegsähnlichen Zustände vor 170 Jahren reagiert der Hof zunächst mit einer Verfassung im April 1848. Erst 1859 bekommen die Unternehmer eine moderne Gewerbeordnung und 1867 legt der Kaiser eine liberale Verfassung vor, nachdem er eine Niederlage gegen Preußen hinnehmen musste. „Die Ironie der Geschichte ist“, sagt Maderthaner, „dass die ökonomischen und liberalen Forderungen der bürgerlichen Revolution vom Neoabsolutismus umgesetzt wurden“.