Politik/Inland

Regierungsperformance für Polit-Beobachter "völlig chaotisch"

Die Performance der Politik in der aktuellen Coronakrise ist nach Meinung von Politologen ziemlich daneben. Anstelle einer klaren Linie und Kommunikation herrsche auf mehreren Ebenen Streit und Chaos. Das stellten Politikberater Thomas Hofer und Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer im Gespräch mit der APA fest.

Die Darbietung der Regierung sei eine "Bankrotterklärung", so Hofer. "Die politische Realität ist mit der echten Realität aufeinandergeprallt." Die ÖVP sei zwar durch den Rücktritt von Sebastian Kurz als Kanzler in die Ecke gedrängt worden, aber das übliche Politgeplänkel sei "in einer echten Krise, wie wir sie derzeit haben, völlig inkompatibel". Wenn man in einer solchen Situation so agiere, dann habe das Konsequenzen.

Die Massivität, mit der die ÖVP die Corona-Entwicklung ignoriert habe, habe ihn negativ berührt. Die ÖVP habe versucht, dem Prinzip der Ära Kurz, wonach die Pandemie für Geimpfte vorbei sei, treu zu bleiben. "Kanzler Alexander Schallenberg wollte auf Kurs bleiben und wollte partout die eingeschlagene Linie beibehalten." Dabei sei die Aussage von Kurz schon damals, als sie gefallen ist, nicht mehr gültig gewesen.

Erstaunlich findet Hofer das Wording der ÖVP: "Wenn der Kanzler und der Klubobmann das Wording der FPÖ aufgreifen und sagen, dass sie Geimpfte nicht einsperren wollen, heißt das, dass die Ungeimpften eingesperrt sind und wir alle schon drei Mal eingesperrt waren." Das Kommunikations- und Handlungschaos in der ÖVP habe sicherlich mit dem Rücktritt von Kurz zu tun. Galt unter ihm noch "Message Control", "so ist jetzt die Message out of Control".

Es gebe keine einheitliche, klare Linie, sondern jeder spreche nur für seinen Bereich. Und so konnte es passieren, dass die ÖVP-Landeshauptleute von Oberösterreich und Salzburg, Thomas Stelzer und Wilfried Haslauer, "sehenden Auges und wissend einen Tag vor der Kehrtwende noch einen Lockdown abgelehnt haben". "Das zeigt die aktuelle Orientierungslosigkeit." Der Abgang von Kurz verursache bei der ÖVP einen echten Phantomschmerz. "Man hat den Eindruck, dass keiner hinter dem Steuer sitzt."

Das alles dürfte bei der Bevölkerung alles andere als gut ankommen. "Ich gehe davon aus, dass das Vertrauen in die Regierung auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt ist", ergänzte Bachmayer. Zusätzlich hätten die heftigen Angriffe der Opposition auf die ÖVP eine Situation entstehen lassen, die "die Regierung nur eingeschränkt handlungsfähig macht". Dabei bräuchte es gerade in der Krise Einheit und Geschlossenheit. Das habe das große Vertrauen der Bevölkerung beim ersten Lockdown gezeigt. Das sei damals zwar leichter gewesen, aber das geschlossene und entschlossen wirkende Auftreten der Regierung habe der Bevölkerung Vertrauen gegeben. Heute sei das genaue Gegenteil der Fall.

Der Rücktritt von Kurz habe in der türkisen ÖVP ein Gefühl der Ungerechtigkeit entstehen lassen. Diese innere Krise in der ÖVP werde nun in der äußeren Coronakrise verstärkt. Die Partei sei inhaltlich gespalten, so Bachmayer. Damit sei ein Chaos in der Regierung zwischen Türkis und Grün und ein doppeltes Chaos in der ÖVP zwischen Türkis und Schwarz und zwischen Bund und Ländern entstanden. "Es herrscht ein Durcheinander und eine Kakofonie. Das alles ist schuld daran, dass es in der Pandemiebekämpfung so weit gekommen ist."