Plötzlich Pensionist – das Leben nach der Politik
Von Daniela Kittner
Jeder von ihnen hat mehr als zwei Jahrzehnte lang sein Bundesland regiert. Mit Michael Häupl verlässt kommende Woche der dritte Langzeit-Landeshauptmann binnen zwei Jahren die Politik. Josef Pühringer und Erwin Pröll sind 2017 voran gegangen.
Jahrzehnte hindurch waren sie gewöhnt an die Aura des Amts, an volle Terminkalender und diensteifrige Mitarbeiter.
Und dann plötzlich Pensionist.
Kommt jetzt das große, schwarze Loch?
„Aus meiner Erfahrung kann ich sagen: einfach locker angehen. Der Umstieg hat nicht weh getan“, beruhigt Erwin Pröll seinen Wiener Kollegen, für den am Donnerstag die Stunde des Abschieds schlägt. Auch Pühringer meint: „Es war einfacher als vermutet. Ich bin in kein Loch gefallen. Ich war in meine Familie eingebettet und habe viele neue Aufgaben übernommen. Der Michl Häupl wird sicher auch Aufgaben finden, die ihn interessieren.“
Hat er schon. In zehn Tagen wird Häupl sein neues Büro beziehen. Die Verkabelung für den Computer ist bereits erneuert, die Location im 9. Bezirk in der Schlickgasse für den neuen Bewohner bereit. Häupl wird gewissermaßen zu seinen Anfängen – in die Wissenschaft – zurück kehren. Der Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF wird seine neue Wirkungsstätte.
Spitzenforschung
Zweck des WWTF ist, Wien als Ort der Spitzenforschung zu fördern. Wurden in früheren Jahrhunderten in Wien Rollschuhe, die Schiffsschraube oder der Schulreifetest erfunden, so fördert der WWTF heute Hirn- und Krebsforschung oder die mathematische Berechnung von Klimaphänomenen.
Häupl selbst wird nicht mehr forschen. Er war im Zivilberuf Spezialist für Schuppenkriechtiere. Häupl: „Früher galt die Faustregel, nach fünf Jahren Ausstieg aus der Wissenschaft kann man nicht mehr mitreden. Inzwischen hat sich die Spanne auf zwei Jahre verkürzt. Ich bin viel zu lange weg. Wenn ich meinen früheren Kollegen zuhöre, verstehe ich zwar noch, worüber sie reden, aber nicht mehr, was sie sagen.“
Ehrgeiziges Ziel
Häupl wird seine politischen Fähigkeiten einbringen, in der Wissenschaftspolitik hegt er ehrgeizige Ziele, aber er will nicht voreilig darüber reden. „Es gibt ein großes Vorbild in Deutschland“, sagt Häupl kryptisch. „Aber warten wir ab.“ Beabsichtigt ist, zersplitterte Forschungsstrukturen zusammen zu führen, um ihnen mehr Wirkung zu geben. Mit dem großen Vorbild meint Häupl die deutsche Max-Planck-Gesellschaft.
Der WWTF wird aus den Resten der alten Zentralsparkasse, die in einer Stiftung liegen, und Förderprogrammen der Stadt Wien gespeist. Dem Vorstand gehören illustre Personen aus der Wirtschaft – Volksbanken-CEO Stephan Koren – und der Wissenschaft – Biochemikerin Renée Schröder – an.
Nur mehr 40 Arbeitsstunden
Josef Pühringer ist Seniorenbund-Obmann in Oberösterreich. „Als Landeshauptmann habe ich 100 Stunden in der Woche gearbeitet, jetzt sind es 40“, erzählt Pühringer. Der Oberösterreicher genießt sein neues Leben: „Der Druck ist weg, ich bin nicht mehr der Letztverantwortliche. Außerdem kann ich mir die Aufgaben aussuchen.“
Pühringer und Pröll zeigen keine Eifersucht auf ihre Nachfolger. Beide sagen, es sei eine „Freude“ und eine „Genugtuung“ zu sehen, dass der Übergang geklappt habe, und es gut weiter gehe im Land.
Buch mit Peter Turrini
Pröll verbringt zwei bis drei Tage pro Woche arbeitend in seinem neuen Büro im Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse, zwei Tage ist er vollkommen privat, den Rest der Zeit im Land unterwegs. Prölls Engagement gilt der Kultur, und auch er ist gewissermaßen zu seinen Anfängen zurück gekehrt. Mit Kunst und Kultur Perspektive in die Regionen zu bringen ist Prölls großes politisches Thema immer schon gewesen. Sein jüngstes, noch geheimes Projekt ist ein gemeinsames Buch mit dem in Retz ansässigen Dramatiker Peter Turrini.
Bescheidener Start
Endlich Zeitsouveränität. Nicht mehr 24 Stunden am Tag verfügbar sein müssen. Darauf freut sich Häupl. Aber wer glaubt, dass er jetzt mit einem „Wohin ich immer schon einmal wollte“-Trip ins neue Leben startet, irrt. Seine Frau sei „zeitlich nicht verfügbar“, sagt Häupl. Daher fängt die neue Freiheit bescheiden an. „Wenn ich am 25. Mai aufwache, wird mir einschießen, dass ich schnell in den Gemeinderat muss. Dann wird mir einfallen, dass mich das nichts mehr angeht. Ich werde mich umdrehen und weiter schlafen.“