Neuer FPÖ-Chef Hofer: "Seht mich als Vater dieser Bewegung"
Er ist allgegenwärtig. Am 33.ordentlichen Bundesparteitag der FPÖ: Der langjährige Parteichef, der seit dem 18. Mai und dem Bekanntwerden der Ibiza-Affäre nur noch normales Parteimitglied ist. Und der Grund, warum sich 870 Delegierte am Samstag in der Messe Graz einfinden müssen, um eine neue FPÖ-Führung zu küren. Beim Parteitag 2017 in Klagenfurt wurde Heinz-Christian Strache mit 98,7 Prozent an der FPÖ-Spitze bestätigt.
In fast jeder Rede wird er nun bedacht. Wird sich bei ihm – der sicher via Video-Stream zusehen werde, so die Redner – für seinen Einsatz und seine Verdienste bedankt. Spürbar ist jedoch mit jeder Silbe: Straches Zeit ist vorbei. „Es ist ungewohnt nach so vielen Jahren mit Strache, aber Hofers Rede war sehr gut“, so der Tenor vieler Delegierter bei Würstel und Kren zu Mittag.
Kurz nach halb zwei ist es soweit. Das „hoffentlich sensationelle Votum“ (Herbert Kickl in seiner Rede) wird verkündet: Norbert Hofer ist mit 98,25 Prozent neuer Chef der Freiheitlichen. Standing Ovations zu Queens „Don’t stop me now“ folgt Hofers kurzer Dank. „ÖVP und SPÖ zieht Euch warm an! Wir sind wieder da!“, freut er sich. „Fast DDR-Dimensionen“, wird FP-Funktionärin Susanne Fürst das Votum später nennen. Alle Anträge – auch jenen für ein strengeres Durchgriffsrecht – winken die Delegierten für ihren neuen Chef durch. Für sie beginnt an diesem Samstag, zwei Wochen vor der Wahl, eine neue Zeitrechnung. Statt der Kampfreden ihres Ex-Chefs Strache erleben sie in dem bis auf den letzten Platz besetzen Saal eine auf Empathie setzende Ansprache („Die wichtigste Rede in meinem politischen Leben“) des geschulten Redners Norbert Hofer.
Viel Pathos
„Seht mich als Vater dieser Bewegung“, ist nur einer der vielen pathetischen Sätze, durch die Hofer bei seinen Parteigängern punktet – und zeigt: Heinz-Christian Strache ist als blaue Identifikationsfigur abgeschrieben. Hier gibt Hofer nun den Ton an. Der wieder gesundete blaue Frontmann moduliert die Stimme, stets um Stimmung zu erzeugen. Er skizziert Bilder, wie jenes seiner winkenden Mutter bei der Abfahrt nach Graz. Die Mutter, für die er mehr Zeit haben will nach der Nationalratswahl. Die Mutter, die ihm in seiner Erzählung dient, um auf die „ältere Generation“ aufmerksam zu machen. Um diese gelte es sich zu kümmern – statt um Asylwerber. Als FP-Chef spricht er blauen Kernthemen an. Etwa , dass das Ausländerwahlrecht, das Neos und Grüne fordern, ein „Irrweg“ sei und „wir dann gleich zusammenpacken können“.
Pflichtgemäß lässt Hofer am Islam kein gutes Haar. „Ja, der muslimische Glaube ist eine anerkannte Glaubensgemeinschaft. Das sind die Zeugen Jehovas auch. Es ist unser Land. Wir wollen unsere Werte nicht aufgeben.“
Selbstzerstörungstrieb
Hofers Hauptbotschaft ist indes eine andere. Der 48-Jährige möchte die Partei breiter, urbaner, moderner machen – dafür wird er mit Beratern an einem neuen Programm arbeiten. „Ich trete an, um diese Partei so aufzustellen, dass wir als Nummer eins durchs Ziele gehen“, so seine ambitionierte Zielvorgabe.
Die FPÖ dürfe sich nicht mehr mit dem zweiten oder dritten Platz zufrieden geben.
„Niemals mehr werden wir an uns selbst scheitern!“, spornt Hofer seine Parteigänger an. Der Grund, warum die FPÖ nicht längst die stärkste Partei in Österreich sei, liege letztlich „immer am Selbstzerstörungstrieb der Freiheitlichen“. Das sei „immer so gewesen. Das möchte ich ändern“. In Richtung ÖVP bekräftigt er nochmals das Koalitionsangebot. Das will er dezidiert nicht als Anbiederung verstanden wissen. Die FPÖ könne auch Opposition.
"Lieber Gust!"
Für ÖVP-Klubchef August Wöginger, der in der Vorwoche sagte „Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wean fahren und als Grüne zurückkommen. Wer in unserem Hause schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen!“ , hat er denn auch eine Botschaft: „Lieber Gust! Hör’ meine Worte, dass diese Koalition mit den Grünen nicht zustande kommt, denn sonst fährst du nach Wien und kommst als Grüner zurück.“
Richtige Breitseiten und Untergriffe überlässt Hofer jenem Mann, den Kurz und Van der Bellen nicht mehr in einem Ministeramt sehen wollen. Herbert Kickl. Der Ex-Innenminister kennt seine Rolle – und er kann sie. Die des begnadeten wie gnadenlosen Rhetorikers. „Wenn es Norbert Hofer nicht gäbe, müssten wir ihn erfinden. Es gibt keine bessere Führungsfigur für jetzt und die Zukunft“ und „Du bist eine Mischung aus Manager und Programmatiker. Ein treuer Kamerad!“ Als Kameraden geben sich Hofer und Kickl auch auf offener Bühne. Auf der beschwören die Männer die „freiheitliche Familie“ und schwören sich auf Feindbilder ein.
Kickls Triple A
Es braucht „einen freiheitlichen Innenminister“, sagt Kickl. Im Asylbereich gehe es darum, gegen das Triple A vorzugehen: „Gegen aggressive afghanische Asylwerber. Ich bin motiviert bis in die Zehennägel dieses Rating downzugraden.“ Und: „Es wird keine Extrawürste für Afghanen geben, da halten wir uns an die Speisevorschriften.“
Keine Überraschungen gibt es auch bei der Bestellung von Hofers sechs Stellvertretern, zu denen auch Kickl zählt. Die Abstimmung fällt einstimmig aus. Nach viereinhalb Stunden ist Straches Ära offiziell zu ende – „hat eine wichtige Weichenstellung begonnen“, so Hofer, der an Jörg Haider erinnert. „Wenn der Haider nicht mehr ist, dann ist die FPÖ kaputt“, habe es früher geheißen. Haider wie auch Strache seien „tolle Persönlichkeiten“ – gewesen, jedoch: „Nicht Ihr seid den Obleuten verpflichtet, sondern wir sind den Inhalten verpflichtet“, nennt Hofer das Credo und setzt bedeutungsschwanger ein „Glück auf“ nach. Die Bundeshymne erklingt. Draußen ist ein Plakat mit Kickls Porträt zu sehen, darauf ein Inhalt zu lesen: „Ohne uns kippt Kurz nach LINKS.“