Politik/Inland

Nehammer mit scharfer Kritik: "EU-Asylsystem seit Jahren kaputt"

Bundeskanzler Karl Nehammer übt in einem Interview für die Welt am Sonntag scharfe Kritik an der EU-Migrationspolitik. "Das Asylsystem der EU ist seit Jahren kaputt. Brüssel hat viel zu lange gebraucht, um ideologische Barrieren abzubauen", sagt Nehammer im Interview. Dank des Vorstoßes von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Österreich gäbe es jetzt wieder "mehr Realitätssinn". 

Für rasche Asylverfahren auch in Drittstaaten

Nehammer fordert von der EU-Migrationspolitik einmal mehr schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen, schnelle Rückführungen durch entsprechende Abkommen mit Drittstaaten und  Asylverfahren in Drittstaaten. Letzteres wird von den meisten EU-Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission abgelehnt.  Als "wegweisend" nennt er hier das Abkommen mit Tunesien zur Begrenzung illegaler Migration und die Pilotprojekte in Rumänien und Bulgarien für schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen. 

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Nein zur Ausnahme von Frauen und Kinder

Dass eine Mehrheit der EU-Länder Frauen und Kinder von solchen schnellen Asylverfahren ausnehmen möchte, kann Nehammer nicht nachvollziehen: "Die Forderung Frauen in Begleitung von Kindern von schnellen Asylverfahren auszunehmen, mag zwar auf den ersten Blick richtig sein, aber sie ist aus polizeilicher Sicht praxisfremd und letztlich auch kontraproduktiv", argumentiert der Kanzler.

Und weiter: "Es führt dazu, dass künftig insbesondere Frauen mit Kindern von ihren Verwandten auf den gefährlichen Weg über das Mittelmeer geschickt und skrupellosen Schleppern hilflos ausgeliefert werden. Eine solche Ausnahmeregelung wäre praktisch eine Einladung für Frauen mit Kindern, die illegale Migration nach Europa zu wagen – und im Falle einer Schutzgewährung die gesamte Familie nachzuholen. Österreich würde einer Ausnahmeregelung für Frauen mit Kindern in dieser Form nicht zustimmen."

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"Wir haben die Asylbremse gezogen"

Auf die Frage, wie es Österreich geschafft habe, im Gegensatz zu Deutschland die Zahl der Asylanträge im ersten Halbjahr deutlich zu senken, verweist der Kanzler auf die "Asylbremse", die gezogen wurde. "Wir setzen zunehmend auf Schnell- und Eilverfahren, die nur 28 Tage beziehungsweise 72 Stunden dauern", so Nehammer. Außerdem sei  die „Task Force Außerlandesbringungen“  erfolgreich. Diese  führe regelmäßig Schwerpunktkontrollen durch und habe mitgeholfen, die Zahl der Rückführungen seit Beginn des Jahres deutlich zu erhöhen. "Das alles schreckt illegale Migranten ab, Anträge zu stellen". 

Auch helfe, dass österreichische Polizisten die Grenzbehörden in Serbien, Ungarn und Nordmazedonien unterstützen. "Gleichzeitig schützen wir unsere eigenen Grenzen durch eine hochmoderne Drohnenflotte mit etwa 300 Geräten und gut ausgerüsteten mobilen Grenzschützern", erläutert Nehammer.