Politik/Inland

Brave Biene, böser Biber, armer Bauer?

Sie töten aus reiner Mordlust“, titelte so manche Zeitung, von „Blutrausch“ ist da die Rede und von „putzigen Killern“. Engelbert Esletzbichler kann das nur bestätigen: „Was wir auch tun, wir kriegen das Problem nicht in den Griff. Und es wird jedes Jahr schlimmer.“

Ein guter Schwimmer

Der Mann betreibt Fischteiche im Mostviertel bei Göstling an der Ybbs, und produziert ausgezeichnete Speisefische wie Ybbstaler Forelle oder Saiblinge. Und sein größter Widersacher ist knapp über einen Meter groß, am ganzen Körper behaart, ein guter Schwimmer, „äußert schlau“ – und landläufig als Fischotter bekannt.

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Über viele Jahrzehnte waren die Otter-Populationen in Mitteleuropa vom Aussterben bedroht, weshalb sie unter strengen Naturschutz gestellt wurden. Mittlerweile, klagen Fischzüchter quer über den Kontinent, haben sich die Bestände teils prächtig erholt und in Ermangelung natürlicher Feinde wie Wolf, Luchs oder Seeadler ungefährdet verbreitet.

Dass ein Fischotter in wenigen Nächten einen Fischteich mit einigen Hundert Fischen leer fischt, ist nicht nur Engelbert Esletzbichler widerfahren. Auch aus dem Waldviertel, aus Oberösterreich oder aus Bayern mehren sich entsprechende Meldungen. „Die scheinen dann wie im Blutrausch zu sein, wie der sprichwörtliche Fuchs im Hühnerstall. Allein in Niederösterreich machen die Verluste durch den Otter rund 30 Prozent aus“, sagt Herbert Staudigl, Experte für Teichwirtschaft bei der Landwirtschaftskammer.

Zäune, selbst elektrisch geladene, werden von den Tieren im Sommer untergraben, im Winter marschieren sie einfach über den Schnee. Und bejagt, „Gott behüt’“, sagt Esletzbichler, darf das Tier nicht werden, es drohen strenge Strafen und der Verlust der Jagdlizenz.

Auch der Kormoran, der täglich ein halbes Kilo Fisch verspeist, stellt für die Teichwirtschaft in Österreich inzwischen ein großes Problem dar. „Späher-Vögel kundschaften zuerst die Gewässer aus“, weiß Staudigl, „dann stürzen sich 20, 30 der geschützten Vögel auf die Fische.“ Das sei nicht nur ein Problem für Teiche, sondern auch für kleinere Flüsse.

Trauben-Liebhaber

Die Probleme mit Fischotter und Kormoran sind bei Weitem kein Einzelfall: Überall in Österreich klagen Agrarier über geschützte Tier-Populationen, die immer mehr zur Plage werden: Horst Gager vom gleichnamigen Weingut im burgenländischen Deutschkreutz hat mit einem zierlichen Singvogel zu kämpfen, dem Star, der – nicht nur für Weinliebhaber nachvollziehbar – die Weintrauben von Zweigelt und Blaufränkisch liebt. Die Vögelschwärme sind überall zum Problem geworden, wo Wein wächst. „Wir versuchen, unsere Reben mit Schreckschuss-Pistolen zu schützen, mit Lautsprechern, aus denen Geräusche von Falken oder Hunden ertönen, mancherorts versuchen sogar Kleinflugzeuge die Vögel zu verscheuchen. Oder wir hüllen unsere Reben in Netze“, sagt der Weinhauer. Mit wechselndem Erfolg.

Oder die Saatkrähen: Anders als bei konventionellem Saatgut schmecken die Biosamen von Mais, Rübe oder Erbse den ebenfalls unter Schutz stehenden Saatkrähen hervorragend, der Schutz der Keimsprossen stellt ein großes Problem für die Ökolandwirte dar.

Selbst der Biber, der putzige Pflanzenfresser, erzürnt Forstwirte und Bauern gleichermaßen, weil er kleine Gewässer aufstaut und diese so über Äcker umleitet.

Und ganz neu, sagt Kammer-Experte Staudigl, sei das Problem der steigenden fischfressenden Populationen von Gänsesäger oder Fischreiher.

In der Steiermark ist darüber längst ein Streit entbrannt: Für die „teilweisen möglichen Rückgänge der Fischbestände“ hat etwa der Fischereiverband Steiermark „Prädatoren“ wie Otter, Reiher oder Kormoran verantwortlich gemacht. Argumentiert wird auch wirtschaftlich: Gewässer, die „mehr oder weniger leer sind“, lassen sich auch nicht mehr als Fischgewässer verpachten. Die Tierschützer vom World Wide Fund for Nature konterten scharf: Die Tiere seien „nicht schuld“, sondern vielmehr seien viele Flüsse durch Regulierung, Zerschneidung und Aufstau in einem „katastrophalen ökologischen Zustand“.

Politikum Bienen

Betroffene Agrarier ärgert zudem, dass die Landesregierungen, und hier speziell die meist weisungsfrei gestellten Tierschützer, die Gesetze so rigid wie nur möglich auslegen und kein Ohr für die Anliegen der Landwirte hätten. Und die Politiker, ist hinter vorgehaltener Hand zu erfahren, würden sich schon überhaupt nie trauen, das Problem anzugehen. Zu schnell könnte man als „Ottermörder“ vom politischen Gegner denunziert werden. Bestes Beispiel: Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich, der mit seiner Pro-Pestizid-Politik erst vor wenigen Tagen einen fulminanten PR-Bauchfleck erlebte. Im Kampf Naturschutz gegen Schutz der Landwirtschaft obsiegte die Biene.

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Professor Walter Arnold, Vorstand des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie an der Veterinär-Uni Wien, muss angesichts der Diskussion schmunzeln: Das erste Problem ortet er im fehlenden Verständnis, was wir als Natur wahrnehmen: „Wo wir unberührte Natur vermuten, liegt in Wahrheit eine Kulturlandschaft vor, eine seit Jahrhunderten durch Menschen erschaffene künstliche Landschaft.“ Der Eingriff der Menschen in die Natur habe aber auch die Tierwelt verändert.

Arnold warnt vor dem schnellen Ruf nach Abschuss: „Speziell bei gefährdeten Arten, die sich jetzt durch unsere Hilfe wieder ansiedeln, sollten wir uns doch erstmals über den Erfolg des Naturschutzes freuen.“ Klar sei aber auch, dass Naturlandschaft bedeute, dass man die Natur sich nicht selbst überlassen könne: „Das klappt nicht einmal in Nationalparks.“ Erst wenn zweifellos feststehe, dass einst gefährdete Arten sich soweit erholt haben, dass sie langfristig überleben können, sollte man über „Regulierung“ nachdenken.

Aber so lange die Gesellschaft gefährdete Arten schützen will, müsse sie auch lernen, mit den Nachteilen umzugehen: „Dann müssen wir eben auch für die Schäden aufkommen, und den Betroffenen helfen.“

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