Nationalrat macht Weg für die Neuwahl frei
Der Nationalrat hat Donnerstagmittag mit großer Mehrheit die Gesetzgebungsperiode verkürzt und damit den Weg zu Neuwahlen geebnet. Der geplante Wahltermin 15. Oktober wird am morgigen Freitag zunächst vom Ministerrat und danach vom Hauptausschuss fixiert. Gegen die vorgezogene Neuwahl stimmten nur die "wilden" Abgeordneten Gerhard Schmid und Marcus Franz.
Mit der vorzeitigen Beendigung der Gesetzgebungsperiode ist die Arbeit des Nationalrats noch nicht zu Ende. Jedenfalls wird am 20. September eine weitere Sitzung stattfinden, bei der etwa das Sicherheitspaket mit erweiterten Überwachungsmöglichkeiten sowie die Verländerung der Wohnbauförderung beschlossen werden könnten. Unklar ist, ob die für 12. und 13. Oktober terminisierten Plenarsitzungen abgehalten werden. Angesichts des Zeitpunkts nur wenige Tage vor der Wahl wird über eine Absage nachgedacht. Die Entscheidung darüber fällt wohl erst im September.
Wie viele Sitzungen auch immer noch vor der Wahl stattfinden, sie werden wohl allesamt bereits im Großen Redoutensaal der Hofburg in Szene gehen. Denn ab Mitte August ist der Plenarsaal des Nationalrats angesichts des Parlamentsumbaus für zumindest drei Jahre nicht benützbar.
Bei der Debatte zum Neuwahlbeschluss kam es zu einem Abgesang auf Rot-Schwarz. FPÖ, Grüne, NEOS und Team Stronach ließen kein gutes Haar an der - wie sie hofften - zu Ende gehenden Ära der absoluten Mehrheiten von SPÖ und ÖVP. Vertreter der beiden Regierungsparteien sahen das naturgemäß anders, äußerten aber ebenfalls die Hoffnung auf Neues.
"Diese rot-schwarze Koalition ist wieder einmal geplatzt" ,sagte FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache, diesmal biete sich aber die Chance auf einen Neubeginn. Eine Stimme für die freiheitliche Partei sei der "einzige Garantieschein", eine Fortsetzung der bisherigen Koalition zu verhindern, begab er sich in Wahlkampfmodus.
Mit den Chefs von SPÖ und ÖVP, Christian Kern und Sebastian Kurz, rechnete Strache ab: "Die Menschen erwarten mehr als so künstlich aufgebauschte Wunderwuzzis." Die beiden Parteien seien die Ursache vieler Probleme in Österreich, vor allem, was die "Massenzuwanderung" betreffe: "Damit wollen wir am 15. Oktober Schluss machen."
Ein Scheitern ortete auch der Grüne Albert Steinhauser, allerdings mit entgegengesetzten Vorzeichen. Im Parlament habe man zuletzt miterleben können, wie beim Thema Flucht und Migration der Ton rauer geworden sei: "SPÖ, ÖVP und FPÖ sind in diesen vier Jahren nach rechts gerutscht". In Österreich werde die Wohlstandsverteilung schlechter, die Mieten höher, es herrsche Steuerpopulismus und das Ignorieren des Klimawandels. Die Antworten darauf sah er bei den Grünen, auch wenn manche sich fragten, ob deren Feuer noch brenne: "Ich sage ja, es lodert noch", so Steinhauser.
"Wir hoffen, es brennt am richtigen Ort", meinte dazu NEOS-Klubchef Matthias Strolz trocken: "Die Leidenschaft ist immer gut, das Dach weniger." Auch er freute sich über das Ende des "rot-schwarzen Machtkartells", das Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg zwar wiederaufgebaut habe, heute aber aus zwei "abgesandelten Großparteien" bestehe. Die Antworten darauf sah er bei seiner Partei. "Ihre Geldtaschen in Österreich würden NEOS wählen", meinte er.
Robert Lugar vom in Auflösung befindlichen Team Stronach verglich die Glaubwürdigkeit der Regierung mit einem alkoholkranken Ehemann, der das Geld der Familie regelmäßig vertrinkt und immer wieder Besserung gelobt. Sein Appell: "Wählen Sie bei der nächsten Wahl nicht Rot und Schwarz, schaffen Sie neue Mehrheiten im Land."
SPÖ-Klubchef Andreas Schieder verwies hingegen an die gemeinsam erreichten Verbesserungen für das Land. Dass wesentliche wichtige Beschlüsse wie die Aufhebung des Pflegeregresses zuletzt auch - oder gerade - nach dem Aufkündigen der Koalition mit breiter Mehrheit beschlossen wurden, wertete er aber ebenso positiv. Im Wahlkampf sollte man nicht vergessen, dass nicht der Streit zwischen Parteien im Vordergrund stehen sollte, sondern das Ziel, Österreich an die Spitze zu bringen.
Sein ÖVP-Gegenüber Reinhold Lopatka pflichtete ihm bei: "Ich gebe Schieder recht, Österreich steht gut da." Ganz vorne sei das Land aber nicht mehr, verwies er auf Arbeitslosenrate und Standortfragen und plädierte nebenbei für die Schließung der Mittelmeer-Flüchtlingsroute. Für die letzten Wochen bis zur Wahl äußerte er die Hoffnung, auf eine "Wahlzuckerlschlacht" zu verzichten.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hat sich in seinem Redebeitrag dagegen verwahrt, die Situation im Land negativer darzustellen, als sie ist: "Ich möchte mir Österreich nicht schlecht machen lassen." Immerhin sei Österreich gerade erst in einer Studie als vierterfolgreichstes Land der Welt ausgewertet worden.
Angesichts der kritische Aussagen der Opposition davor meinte der SPÖ-Chef, schlecht zu reden sei nicht von überbordender Verantwortung geprägt. Was es brauche, sei Österreich mit ruhiger Hand in eine gute Zukunft zu führen. Ungeachtet dessen gestand Kern durchaus zu, dass das Land Veränderungen brauche und von den Regierenden neue Antworten zu geben seien.
Ziel müsse daher wie stets sein, dass es den Kindern besser als ihren Eltern gebe. Wie stärke man den Wirtschaftsraum, wie erhalte man den Zugang zum besten Gesundheitssystem der Welt, wie sichere man die Pensionen und wie schütze man die Grenzen, waren nur einige der Fragen, die Kern aufwarf. Allzu konkrete Antworten gab er in seiner zehnminütigen Rede zwar nicht, betonte jedoch, dass es eine Politik brauche, die die Mittelschicht konsequent stärke. Überhaupt müssten alle vom gerade spürbaren Aufschwung profitieren.
Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) lobte, dass es in den vergangenen Wochen nach dem Platzen der Koalition gelungen sei, Materien wie Bildungsreform, Primary Health Care oder Frauenquote in den Aufsichtsräten zu beschließen. Dies sei nur gelungen, weil man das zur Seite gelassen habe, was die Opposition Klientelpolitik nenne.
Diese gemeinsame Vorgangsweise sei es, was man in diesen Zeiten benötige: "Gerade in einem Jahr wie diesem ist es wichtig, den Konsens zu suchen." Abgelehnt wurden von Brandstetter übersteigerte Aggressionen, nach denen man sich unversöhnlich gegenüber stehe.
Hoffnungsfroh ist der Vizekanzler, dass auch in den Monaten bis zur Neuwahl noch einiges umgesetzt werden könnte. Beispielsweise ist ja derzeit das Sicherheitspaket in Begutachtung, die Verländerung der Wohnbauförderung wiederum ist sogar bereits dem zuständigen Ausschuss zugewiesen. Insofern ist Brandstetter durchaus zuversichtlich: "Einiges schaffen wir noch."