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Lockdown-Hardliner: So tickt der neue Gesundheitsminister

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Ein Allgemeinmediziner, ein "Mann der Praxis", übernimmt das Gesundheitsministerium. Ärztekammer-Funktionär Wolfgang Mückstein folgt auf Rudolf Anschober. "Ich habe mir das gut überlegt", betonte Mückstein bei seiner Präsentation am Dienstag.

Und er stellte klar: Wenn die Intensivstationen an ihre Grenzen kommen, "dann bin ich für einen Lockdown, um Menschenleben zu retten".

Er habe großen Respekt vor der "unpopulären" Entscheidung von Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Lockdown zu verlängern".

Stichwort "unpopuläre Entscheidungen" - davor will auch Mückstein nicht zurückschrecken: "Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich dazu als Gesundheitsminister und Arzt verpflichtet sehe."

Wie der neue Gesundheitsminister in der politischen Praxis ticken könnte, zeigen seine öffentlichen Aussagen.

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"Zweiter Lockdown kam zu spät"

Bereits im Sommer 2020 warnte Mückstein in einem Interview mit dem Standard vor möglichen Folgeschäden der Pandemie: "Die Konsequenzen werden wir erst in einigen Monaten oder Jahren sehen - vor allem dort, wo Patienten in dieser Zeit nicht behandelt wurden, also wo eine chronische Wunde nicht zugeheilt ist oder Diabetiker ein paar Monate schlecht eingestellt waren." Dementsprechend präsentierte er sich in den vergangenen Monaten als Befürworter harter Lockdowns.

Auf Servus TV nahm Mückstein das Corona-Management der Bundesregierung Ende Jänner deutlich in Schutz. In Paris und New York seien die Menschen "wie die Fliegen gestorben", warnte er vor zu laschen Maßnahmen. Und zwar deshalb, "weil so viele gleichzeitig auf den Intensivstationen gelegen sind", dass lebenswichtige Operationen nicht mehr durchgeführt werden konnten.

Genau dieses Szenario müsse man verhindern. Ist das bei uns gelungen? "Der zweite Lockdown ist wahrscheinlich zu spät gemacht worden, um drei Wochen", kritisierte Mückstein Österreichs Vorgehen bei der zweiten Welle im vergangenen Herbst.

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"Transparente Kommunikation ist das Wesentliche"

Auch im März präsentierte sich der neue Gesundheitsminister als "Lockdown-Hardliner". Den Ost-Lockdown kritisierte er auf Puls24 ebenso als "zu spät" und monierte, dass die Landeshauptleute - im Gegensatz zu Anschober und den Experten - zu "lange gebremst" hätten. Er nehme "eine gewisse Paralyse" beim Krisenmanagement wahr, bekundete Mückstein und stellte die Wirksamkeit des Test-Konzepts infrage.

Dann sagte er einen Satz, an dem man ihn in den kommenden Wochen und Monaten wohl messen wird: "Transparente Kommunikation ist das Wesentliche – und nachvollziehbare Entscheidungsprozesse."

Was überlastete Intensivstationen und viele Corona-Erkrankte in der Praxis bedeuten, weiß der Arzt jedenfalls aus erster Hand. Dem KURIER erzählte er am 20. März, wie Corona ein Versorgungschaos in den Arztpraxen verursacht hätte - auch in seiner. Mückstein hatte folgenden Appell an die Bevölkerung: "Die Botschaft an die Patienten muss jedenfalls lauten: Kommen Sie nicht persönlich zu uns in die Ordination. Melden Sie sich telefonisch oder per Mail in der Arztpraxis."

Bekannt aus Regierungsverhandlungen

Bekannt ist Mückstein beim Koalitionspartner schon seit den Regierungsverhandlungen, wo er in den Gesprächen im Gesundheits- und Sozialbereich eingebunden war. Vorgänger Anschober holte seinen Rat auch für eine Teststrategie im niedergelassenen Bereich ein. Die Amtsübernahme hat sich der verheiratete Vater von zwei Töchtern "gut überlegt", aber rasch Ja gesagt. Was anderes blieb ihm auch kaum übrig, denn Kogler hat erst gestern angefragt.

Einen ersten Pflock schlug Mückstein schon bei der Antrittspressekonferenz ein: Um Menschenleben zu schützen, müsse es auch Lockdowns geben.

Wolfgang Mückstein ist Leiter des ersten Wiener Primärversorgungszentrums. Politisch bekannt wurde der Allgemeinmediziner durch seine Funktionen für die Grünen in der Ärztekammer, wo er mehr als ein Jahrzehnt tätig war - zwischenzeitlich sogar im Vorstand und der Vollversammlung.

Seine Themenfelder waren Substitutionstherapie, Schutzausrüstung und Gruppenpraxen. Letzteres verwundert insofern nicht, als Mückstein im sechsten Wiener Gemeindebezirk quasi das Urmodell eines Primärversorgungszentrums leitet und in dieser Funktion auch gerne gehörter Gesprächspartner von Medien war. Seinem Studium der Medizin hat er einen TCM-Bachelor hinzugefügt, ist also mit chinesischer Medizin vertraut.

Mit der alleine wird Mückstein das aus China eingeschleppte Virus kaum bekämpfen können. Auf den neuen Minister warten große Aufgaben, befindet sich das Land doch mitten in der dritten Corona-Welle und die Politik ist von Einigkeit mittlerweile weit entfernt. Anschober beklagte dies zumindest indirekt auch bei seinem Abschied aus dem Amt.

Die Position von Ärzten und Sozialversicherung sollte Mückstein reichlich bekannt sein, die der Länder zumindest nicht fremd. Da muss es kein Nachteil sein, wenn man aus dem System kommt. Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist der 46-Jährige, geboren am 5. Juli 1974, als "Mann der Praxis" der ideale Kandidat, um die Aufgabe zu bewältigen: "Er packt an."