Justiz-Krieg: Druck auf oberste Korruptionsjägerin steigt
Druck standzuhalten sei ein „Aufnahmekriterium“ in ihrem Job, sagte Ilse Vrabl-Sanda, da war sie „nur“ eine leitende Staatsanwältin.
Mittlerweile ist Vrabl-Sanda Chefin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) – und muss aktuell mehr Druck aushalten denn je. Fragt sich nur: Hält sie stand?
Der Konflikt mit ihren Vorgesetzten ist unübersichtlich – um nicht zu sagen: ausweglos. Wie der KURIER aus Justizkreisen erfuhr, gibt es recht konkrete Überlegungen, wie man die Behörde völlig neu strukturieren und so auch die Führung auswechseln könnte.
Eine Steilvorlage bietet die Causa BVT. Im Bericht zum U-Ausschuss, der diese Woche publik wurde, wird Vrabl-Sanda als Leiterin der ermittelnden Behörde für Fehler bei der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz mitverantwortlich gemacht. Bei der Planung habe es „erhebliche Fehler“ gegeben, vor allem in Hinblick auf den Schutz sensibler Daten.
„Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die ermittelnden Staatsanwälte ihren Ermittlungsdrang zugunsten von Objektivität und Folgenabschätzung etwas zurückgenommen hätten“, heißt es da.
Der (interne und mediale) Wirbel war enorm, von den ursprünglichen Vorwürfen ist nur noch ein Nebenaspekt offen. Ausgezahlt hat sich das nicht.
Aber Folgen hatte es: Die Berichtspflicht an die Oberbehörde wurde verschärft, zudem soll die Oberstaatsanwaltschaft um die 50 Weisungen erteilt haben, um Ermittlungsfehler auszubügeln. (Das dementiert die WKStA und spricht lediglich von acht Weisungen, Anm.)
Ruhig, aber hartnäckig
Die Eskalation erstaunt so manchen Beobachter: Bei ihrem Antritt als WKStA-Chefin 2012 wurde Vrabl-Sanda noch mit Lob überhäuft. 14 Jahre lang war sie davor als Strafrichterin im „Grauen Haus“ in Wien. Sie sei „die Standhafte“, so hieß es, die „Unerschrockene“; frühere Kollegen schätzen sie für ihren ruhigen Ton und wie sie dennoch hartnäckig ihre Ziele verfolgt.
Dass sie nicht gerade zimperlich vorgeht, ist bekannt – jetzt könnte die 56-Jährige aber den Bogen überspannt haben. Im Eurofighter-Verfahren, das die WKStA im Februar übernommen hat, fordert Vrabl-Sanda einen völlig neuen Ermittlungsansatz und mehr Personal.
In einer internen Dienstbesprechung wurde hitzig über den „Scheißakt“ diskutiert. Vertreter der WKStA haben das heimlich aufgezeichnet und ihre Vorgesetzten von der Oberstaatsanwaltschaft sowie den damaligen Generalsekretär Christian Pilnacek angezeigt, weil er sie gedrängt haben soll, Teile des Verfahrens „abzudrehen“.
Die Anzeige wurde fallengelassen, im Gegenzug wurden die Staatsanwälte – darunter Vrabl-Sanda – wegen der Tonaufnahme angezeigt. Diese Anzeigen, so bewertet man die Lage unter Experten, werden aber ins Leere gehen – es fehle die strafrechtliche Substanz. Disziplinarrechtlich könnte maximal ein Verweis herauskommen.
Was bleibt, ist der Vertrauensbruch.
Radikale Variante
Der frühere Justizminister Josef Moser hat eine Mediation verordnet, Nachfolger Clemens Jabloner sprach dann sogar einzeln mit den Hauptakteuren. Der Versuch einer Versöhnung wird intern aber belächelt: Die Gräben seien zu tief, eine Gruppentherapie könne da wenig ausrichten.
„In der Privatwirtschaft hätte die Summe der Ereignisse längst eine radikale Neustrukturierung zur Folge“, sagt ein Insider zum KURIER. Tatsächlich gibt es in der Justiz recht konkrete Überlegungen:
2010, als die WKStA noch KStA (Korruptionsstaatsanwaltschaft) hieß, gab es einen Gesetzesentwurf, Kompetenzzentren für Wirtschaftsstrafsachen in den Sprengeln der Oberstaatsanwaltschaften einzurichten. Spezialisten vor Ort sollten dort zusammenarbeiten, um Fälle, die ja oft im Kleinen beginnen, von der ersten Anzeige bis zur Anklage zu begleiten.
Von deren Expertise könnten komplexe Fälle profitieren, so die Argumentation. Derzeit ist es ja so, dass die WKStA Fälle an sich zieht, wenn sie eine gewisse Dimension erlangen. Die Idee wurde verworfen und eine zentrale Verfolgungsstelle geschaffen.
Der WKStA jetzt das „W“ zu nehmen, würde die Behörde massiv zusammenstutzen: Die Wirtschaftsstrafsachen machen um die 70 Prozent aller Verfahren aus. Derzeit sind 40 Staatsanwälte beschäftigt, in der kolportierten Variante wären es nur noch 15. Alle übrigen könnten in die ausgelagerten Kompetenzzentren übernommen werden. Schon jetzt hat die WKStA ja Zweigstellen in Linz, Innsbruck und Graz.
Entscheidung liegt bei der Politik
Kritiker sehen darin die Chance, Vrabl-Sanda als Chefin loszuwerden: Der Führungsposten müsste neu ausgeschrieben werden, wenn sich die Behörde grundlegend ändert.
Ob eine Umstrukturierung – egal in welcher Form – realisiert wird, liegt freilich in der Hand der Politik. Übergangsminister Jabloner wird eine so schwerwiegende Entscheidung nicht treffen. Und ob sein Nachfolger sich diese heikle Angelegenheit anzupacken traut, bleibt abzuwarten.
Klar ist: Eine Behörde, die sich dem Kampf gegen Korruption und für einen sauberen Staat verschrieben hat, wird immer anecken. Sie auf den Kopf zu stellen, riecht nach politischer Einflussnahme, nach Umsturz.
Eine Umstrukturierung ist laut Justizministerium derzeit nicht geplant – es gibt aber bereits seit Längerem eine Arbeitsgruppe, die „Qualität und Effizienz im staatsanwaltschaftlichen Bereich“ heben soll. Da sollte auch die WKStA Thema sein.
UPDATE:
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht nach einem KURIER-Bericht vom Freitag„das Ansehen der Justiz beeinträchtigt“.
Dass die Oberstaatsanwaltschaft der WKStA nach der (teilweise als rechtswidrig erkannten) Razzia im Verfassungsschutz 50 Weisungen erteilt habe, um Ermittlungsfehler auszubügeln, sei unzutreffend. Die Behörde habe 152 Vorhabens- und Informationsberichte geschickt, in der Folge seien acht Weisungen erteilt worden, erklärt eine Behördensprecherin per Mail.
Kurios: Der KURIER wollte die Behörde am Vortag, also vor Erscheinung des Berichts, mit den Vorwürfen konfrontieren. Es wurde aber schriftlich erklärt, dass „vorerst keine Stellungnahme zu den angefragten Themen abgegeben wird“. Auch frühere Interviewanfragen des KURIER an Behördenleiterin Ilse Vrabl-Sanda wurden bis dato allesamt abgewiesen.