Heinz-Christian Strache: "Ich bin ein glühender Europäer"
Vizekanzler Heinz-Christian Strache lässt sein Handy keine Minute aus den Augen, auch beim Fernsehinterview liegt es in Kontaktweite. Am 21. Dezember ist der errechnete Geburtstermin, es kann jederzeit so weit sein: Strache und seine Frau Philippa erwarten ihr erstes gemeinsames Kind, es wird ein Bub. Er sei aufgeregter als seine Frau, sagt Strache. Sie mache immer noch zwei Stunden Sport am Tag, es gehe ihr blendend.
KURIER: Hat die FPÖ zwei Gesichter? Einerseits das des ausgeglichenen Regierungspartners, andererseits gibt es ein Ali-Video, mit dem Sie die eigene Klientel mit aggressiver Werbung bedienen?
Heinz-Christian Strache: Fehler passieren überall. Das Video war in der Art, wie es gemacht war, suboptimal und wurde sofort vom Netz genommen. Ein Mitarbeiter hat das ohne Rückfrage gemacht, was zeigt, dass wir das nicht beabsichtigt hatten.
Aber das war nicht das einzige umstrittene Sujet. Bei der Mindestsicherung gab’s auch eines.
Werbung lebt oft auch von Überspitzung und über Geschmack lässt streiten. Gerade bei der Mindestsicherung geht es uns darum, Zuwanderungsanreize ins Sozialsystem abzustellen. Dazu stehen wir.
Sie werden medial wegen rassistischer Propaganda oft kritisiert. Wie ist generell Ihr Verhältnis zu Medien?
Rassistische Propaganda weise ich zurück. Bitte nicht mit solchen Plattitüden und Brutalvorwürfen operieren. Wir haben ein gutes Verhältnis zu den Medien, die vierte Gewalt macht gute Arbeit. Ich habe aber manchmal den Eindruck, dass Politiker mit Kritik besser umgehen können als manche Medien.
Sind Ihnen Facebook und Soziale Medien wichtiger als die etablierten?
Sie können die etablierten Medien nicht ersetzen, aber sie sind wichtig. Das bietet die Möglichkeit, direkt an die Bürger heranzutreten, mit Aufklärung abseits der Zensur.
Zensur? Gibt’s wo Zensur?
Interessanterweise war es so, dass über manche Sachpressekonferenz einfach nicht berichtet wurde.
Welche Themen meinen Sie beispielsweise?
Unterschiedliche.
Wann wird der Historikerbericht von Professor Brauneder zur FPÖ veröffentlicht?
Voraussichtlich werden wir vor dem nächsten Sommer fertig.
Wie rechts ist die FPÖ?
Das ist ein überholtes Schubladendenken. Wir sind einfach normal. Wir sprechen Ängste und Sorgen der Bürger an und versuchen, Probleme zu lösen: Probleme mit Grenzen, Migration und dem politischen Islam.
Ist die Bevölkerung Ihnen nachgerutscht? Gibt es einen Rechtsruck?
Nein. Wir sind in die Mitte gerutscht.
Sie schließen sich in Europa rechtspopulistischen Parteien an. Wie sehr liegt Ihnen der Erhalt der EU am Herzen?
Als leidenschaftlicher österreichischer Patriot eines Landes, das im Herzen Europas liegt, bin ich auch ein glühender Europäer.
Das hat einmal Werner Faymann gesagt.
Das haben auch andere schon gesagt.
Sie zitieren nicht bewusst?
Nein. Wir erleben heute leider, dass sich Europa in die falsche Richtung eines zentralistischen Bundesstaats bewegt. Das wollen wir nicht. Wenn einem Europa am Herzen liegt, muss man gegensteuern. Wir treten für ein föderales Europa ein, wir sehen die Vielfalt Europas als Chance und wollen sie nicht zu einer Einfalt führen. Da prallen zwei Konzepte aufeinander.
Othmar Karas gegen Harald Vilimsky?
Zum Beispiel.
Werden Sie in der Allianz mit Marine Le Pen und Matteo Salvini bleiben?
Die Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern funktioniert gut, und ich bin überzeugt, dass bei der EU-Wahl der Kurs von Merkel, Macron und Juncker abgewählt wird.
Sollen Le Pen, Salvini und Strache in Europa regieren?
Die Abwahl solcher überholter Strukturen wird weitergehen. Die FPÖ, die Lega Nord, Marine Le Pen werden zulegen. Freiheitsparteien werden gestärkt werden, weil ein Umdenken gewünscht ist. Wir werden dritt-, vielleicht sogar zweitstärkste Fraktion werden. Wenige Themen wie Außengrenzschutz, Verteidigung und Wirtschaftspolitik sollen auf EU-Ebene entschieden werden, andere Bereiche sollen an die Nationalstaaten zurückverlagert werden.
Soll die rechte Allianz ...
Wir nennen sie Freiheitsallianz ...
... den Anspruch auf den Kommissionsvorsitz stellen?
Sie soll selbstverständlich auch Verantwortung übernehmen. Welche, wird am Wahlergebnis liegen.
2019 hat die Regierung eine große strukturelle Steuerreform vor. Wie wird man die Handschrift der FPÖ erkennen?
Wir wollen nicht nur eine Tarifsenkung, sondern eine nachhaltige Steuersenkung. Wir wollen bei den Lohnnebenkosten ansetzen, die kalte Progression abschaffen, die kleinen und mittleren Arbeitnehmer exorbitant mehr entlasten, und, dass Leute, die 40 Jahre gearbeitet haben, 1200 Euro Pension bekommen. Plus Senkung der Körperschaftssteuer.
Wie lange gehen Sie in Karenz?
Ich werde einen Papamonat nehmen und mein Gehalt für eine wohltätige Kindereinrichtung spenden.
Wie viel Einfluss hat Ihre Frau auf Ihre politische Arbeit?
Im Ministerium ist sie selten. Aber ja, meine Frau ist ein Wirbelwind. Wir verstehen einander, ergänzen einander, ich höre oft auf sie, aber nicht immer. Sie hat in vielen Bereichen recht. Ich bin ihr dankbar, sie begleitet mich oft zu politischen Terminen, sie ist eine echte Stütze für mich.
Wo bringt sie sich ein?
Bei Familienpolitik, zugunsten von Alleinerzieherinnen zum Beispiel. Und beim Tierschutz.
Wie ist Ihr Verhältnis zum Bundespräsidenten?
Gut, respektvoll, ehrlich. Wir verstehen uns menschlich, wir rauchen beide.
Was steckt hinter Ihrer Russlandfreundlichkeit?
Wir lieben unsere eigene Kultur, und das ist die Grundvoraussetzung, um auch andere Kulturen lieben zu lernen. Wir haben Respekt vor anderen Kulturen.
Gegenüber dem Islam gilt das nicht?
Doch, ich habe Freunde aus der islamischen Welt, die aber nicht den radikalen politischen Islam vorantreiben. Es sind viele Menschen zu uns gekommen, die ihre Religion als Privatsache leben, aber gegen den politischen Islam auftreten und Partner von uns sind. Russland ist geostrategisch wichtig.
Es heißt immer, Russland unterstützt rechte Parteien in Europa, auch finanziell.
Finanziell sicher nicht, wir haben weder im Inland noch im Ausland Spender. Wenn Sie welche wissen, bitte melden Sie das bei uns.