Politik/Inland

Grüne Klubobfrau: "Wir haben das vereinbart, daher gilt es weiter"

Mit Veröffentlichungen der Sideletter des Türkis-Grünen Koalitionspakts sind die Grünen unter Druck. Zeitgleich wird die erst beschlossene Impfpflicht angezweifelt. Richard Grasl (KURIER), Christian Rainer (Profil) und Klaus Knittelfelder (Krone) im Club3-Gespräch mit Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer.

Die Grünen haben mit den Sidelettern ihre Unschuld verloren. Wie geht es Ihnen damit?

Sigrid Maurer: Ich finde die Entwicklung eigentlich gut. Sebastian Kurz hat jetzt nach seinem Abgang doch etwas zur Transparenz beigetragen.

Sie haben aber einen Postenschacher im ORF vereinbart. Für den Stiftungsratsvorsitz, aber auch bei der Direktorenverteilung. Warum?

Ich halte das alles für einen Skandal, wie das in diesem türkis-blauen Sideletter vereinbart wurde. Viele im ORF haben eine Orbanisierung befürchtet. Wir haben vieles wegverhandelt, was dem ORF geschadet hätte. Mit unserer Vorgangsweise haben wir gesichert, dass unabhängige, bestqualifizierte und auch weibliche Direktorinnen besetzt werden.

Sie geben zu, dass Direktoren im ORF auf Wunsch der Grünen besetzt worden sind?

Nein, nicht auf Wunsch der Grünen. Der Stiftungsrat entscheidet das.

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Im Sideletter steht, dass die ÖVP für drei, die Grünen für zwei Personen das Vorschlagsrecht haben.

Ein Vorschlagsrecht ist etwas anders. Die Posten sind nicht durch Grüne Parteigänger besetzt worden.

Meinen Sie es ernst, dass die Grünen nicht jemanden vorgeschlagen haben, dem sie vertrauen?

 

Das meine ich absolut ernst. Schauen Sie sich mal an, was Leonore Gewessler in all ihren Zuständigkeitsbereichen gemacht hat.

 

Das heißt, Sie schließen aus, dass Lothar Lockl mit dem ÖVP-Freundeskreisleiter Thomas Zach und dem neuen ORF-Generaldirektor Roland Weißmann Personalwünsche besprochen oder paktiert hat?

Ich bin nicht Lothar Lockl. Diese Frage müssen Sie ihm stellen. Ich weiß, dass wir im ORF dafür sorgen oder gesorgt haben, dass es unabhängige Journalisten gibt, die Positionen bekommen – und nicht solche, die von der Parteipolitik oder den Direktionen gewünschte Vorgaben erfüllen.

Jetzt, wo Sideletter der Vergangenheit angehören, sind die Vereinbarungen obsolet? Oder gilt, dass die ÖVP 2024 den EU-Kommissar erhält?

Wir haben das vereinbart, also gilt es weiter.

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Darin steht auch, dass Infrastrukturprojekte nicht nach Parteilinie abgesagt werden dürfen. Aber die Umweltministerin hat den Lobau-Tunnel abgesagt. Der Wiener Bürgermeister meint, das sei hart am Rechtsbruch. Es liegt in der Kompetenz der Ministerin, zu nicht-klimaverträglichen Projekten Alternativen zu suchen. Dazu hat es eine exakte Evaluierung der Projekte gegeben. Selbst die ärgsten Betonschädeln sehen jetzt ein, dass wir etwas tun müssen, um den Klimawandel aufzuhalten.

Zur Regierung: Sebastian Kurz wurde zum Quell des Unfriedens. Ist Kurz eine Belastung für die Regierung?

Er ist eine Belastung für die ÖVP und wird sich vor sein Handeln vor dem U-Ausschuss verantworten müssen.

Von Verdecktem zu Undurchsichtigem: Wieso führt man eine Impfpflicht ein, um dann Geimpfte mit einer Lotterie zu belohnen?

Wir haben für die Impfpflicht eine breite Mehrheit im Parlament gebraucht, die wir mit Neos und SPÖ bekommen haben. Die SPÖ wollte Anreize, die Lotterie ist ein solcher. Beate Meinl-Reisinger wollte die Impfpflicht ab 18 Jahren.

Man hört, dass die Impfpflicht jetzt doch erst im Herbst eingesetzt werden könnte, wenn es neue Wellen oder neue Impfstoffe gibt?

Wir müssen jetzt etwas tun, damit wir im Herbst geschützt sind. Daher kann ich nicht warten, bis eine neue Variante da ist. Man hat uns in der Vergangenheit oft vorgeworfen, dass wir zu spät dran seien. Offen ist jedoch, wann die Phase 3 in Kraft tritt, in der die Daten abgeglichen werden. Da sind wir flexibel.

Wie wird man mit den PCR-Test weiter verfahren. Können sie ausschließen, dass die Tests für Ungeimpfte kostenpflichtig werden?

Das wird von Gecko diskutiert. Ich schließe nichts aus.

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Zu einem Grünen-Kernthema. Sie als ehemalige Aktivistin, was sagen Sie dazu, wie mit den Baustelle-Besetzern der Stadtautobahn umgegangen wurde?

Die Sozialdemokratie steht ein zweites Mal ganz eindeutig auf der falschen Seite der Geschichte. Das war sie schon einmal beim Atomkraftwerk in Zwentendorf. Ich hat mich erschüttert, dass Bürgermeister Ludwig den Brandanschlag, der auf Aktivistinnen dort verübt wurde, bei dem Menschen sterben hätten können, nicht einmal verurteilt hat.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Werner Kogler beim nächsten Bundesparteitag als Grünen-Chefin nachfolgen? Das ist ausgeschlossen. Ich bin Klubobfrau und das ist auch die richtige Position für mich.

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