Politik/Inland

Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle

Das Mail aus dem Innenministerium, das vergangene Woche an die Polizei-Pressestellen in neun Bundesländern ging, ist offenbar derartig brisant, dass selbst manche hochrangige Polizisten dessen Existenz verleugnen. Die darin enthaltenden „Anregungen“ für das gesamte Ressort von Herbert Kickl (FPÖ) haben es in sich: Propagandafilme für die Polizei, eine Art Informationssperre für drei (namentlich genannte) Medien sowie die Nennung von Herkunft und Asylstatus in offiziellen Aussendungen.

Das Schreiben wurde KURIER und Standard über Mittelsmänner zugespielt, mehrere Beamte bestätigen die Echtheit des Mails. In dem Schreiben aus dem Ministerbüro heißt es etwa: „Künftig darf ich darum ersuchen, die Staatsbürgerschaft eines mutmaßlichen Täters in euren Aussendungen zu benennen (...) Außerdem gegebenenfalls bei einem Fremden dessen Aufenthaltsstatus bzw. ob es sich um einen Asylwerber handelt (...) ich ersuche auch, diese Sprachregelung in Interviews umzusetzen.“ Die Nennung der Täterherkunft bei Verbrechen wurde auf rechten Internetseiten massiv gefordert.

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„Kritische Medien“

Geregelt wird in dem Mail des Ministeriums auch der Umgang mit „kritischen Medien“. Als diese werden der KURIER, der Standard und der Falter identifiziert. Mit diesen müsse die Kommunikation „auf das nötigste Maß beschränkt“ werden, weil sie angeblich „einseitig“ und „negativ“ berichten. Beispiele werden nicht genannt, im Fall des KURIER gibt es diesbezüglich auch keinen Bericht, in dem Unrichtiges festgestellt worden wäre.

Begleitungen zu Reportagen mit Beamten etwa seien nicht mehr zu ermöglichen, außer es wäre eine „neutrale oder positive Berichterstattung“ im Vorfeld garantiert. Diese bietet offenbar die neue Serie „Live PD“, die ab Ende 2018 auf ATV jeden Samstag ausgestrahlt wird – dort gibt es entsprechende Rahmenbedingungen. „Jede Folge wird (vom Ressort, Anm.) abgenommen und geht erst nach positiver Abnahme auf Sendung. Zusätzlich zu den polizeilichen Einsätzen kommt ein Studiogast des BMI oder der Polizei vor. Es handelt sich dabei um imagefördernde Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Themen im Studio von uns bestimmt werden können.“

Mit den „kritischen Medien“ ist das offenbar nicht so möglich, denn diese würden „Fakten und Erklärungen ignorieren“. Das Problem dabei: Viele Presseanfragen des KURIER, Angebote zu Interviews (mit der üblichen Autorisierung) oder Hintergrundgesprächen mit Personen des Ministeriums werden seit Monaten nicht oder im besten Fall abschlägig beantwortet. Ganz anders ist die Lage bei den im Mail angesprochenen Landes-Pressestellen, von denen alle Medien professionelle und rasche Antworten erhalten.

Acht Wochen Wartezeit

Auch von anderen Journalisten wurde zuletzt beklagt, dass sich das Innenministerium bei kritischen Anfragen auf das Informationsfreiheitsgesetz beruft. In diesem wird eine Frist von acht Wochen gesetzt, in der Anfragen beantwortet werden müssen. Tatsächlich heißt es dort aber auch, dass Anfragen „ohne Aufschub“ beantwortet werden müssen.

„Proaktiv“ sollen die Polizeibehörden hingegen künftig Sexualdelikte an die Medien ausschicken. „Vor allem Taten, die in der Öffentlichkeit begangen werden“ und die mit „erheblicher Gewalteinwirkung oder Nötigungen“ erfolgen, sollen demnach offensiv unter das Volk gebracht werden. Bisher hat die Polizei das aus Gründen des Opferschutzes nicht so gehandhabt, sondern nur dann, wenn nach einem flüchtigen Täter gefahndet wird. Außerdem könnte durch eine aktive Informationspolitik in diesem Fall eine Schieflage erzeugt werden. Denn über die (laut seriösen Studien) mehr als 90 Prozent der Vergewaltigungen im Privatbereich würde der Mantel des Schweigens gehüllt, aber jene wenigen Fälle im öffentlichen Raum so thematisiert werden.

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Eine „Anregung“

Das Mail ist nicht in Erlassform verfasst, sondern als „Anregung“. Ein Polizist formuliert das so: „Mit solchen Mails wird man auch ins Innenministerium eingeladen. So eine Einladung lehnt man aber nur einmal ab.“ Bis heute halten sich in der Polizei außerdem Gerüchte, wonach im nächste Jahr eine Polizeireform stattfinden werde. Dabei, so vermuten manche, könnten auch die neun Landespolizeidirektionen neu aufgestellt werden – vielleicht auch die Pressestellen.

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"Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien"

Der KURIER hat das Innenministerium um eine Stellungnahme gebeten. Trotz Zusicherung einer Antwort blieb diese vorerst aus. Erst um 21.36 Uhr hat Alexander Marakovits, Leiter der Kommunikationsabteilung im BMI, eine Reaktion zur Berichterstattung im KURIER und im Standard ausgesendet (die gesamte OTS-Aussendung im Wortlaut finden Sie hier). Und dabei wollte man diesen Medien eine Voreingenommenheit unterstellen, hat aber durch ein unfreiwilliges Hoppala offenbar die eigene Voreingenommenheit gegenüber diesen Zeitungen erklärt. Wörtlich heißt es nämlich:

"Dass der Verdacht der Voreingenommenheit gegenüber gewissen Medien durchaus nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt sich übrigens auch anhand der aktuellen Berichterstattung: Bereits durch die Betitelung (Kurier: „Geheimpapier: Kickls brisante Medienkontrolle“; Standard: „Innenminister Kickl greift die Medienfreiheit frontal an“) wird eindeutig der Eindruck erweckt, diese Empfehlungen würden persönlich vom Innenminister stammen und/oder seien zumindest in seinem Auftrag geschrieben worden. Tatsächlich war der Innenminister weder Auftraggeber noch Empfänger dieser Mitteilung  – ebenso wenig wie Mitglieder aus dem Kabinett des BMI."

Weiter heißt es in der Aussendung: "Gerade das Innenministerium ist an einer fairen Zusammenarbeit mit allen Medien höchst interessiert. Deshalb wird unter Verantwortung des Kommunikations-Abteilungsleiters des BMI und unter Einbindung der Kommunikationsverantwortlichen in den Landespolizeidirektionen in naher Zukunft eine neue Leitlinie für eine transparente Medienkommunikation erstellt. Diese wird den Journalistinnen und Journalisten selbstverständlich zur Verfügung gestellt werden."

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