12-Stunden-Tag: Flexible Eltern, flexibler Kindergarten
Von Christian Böhmer
Noch immer halten vier von zehn Kindergärten täglich weniger als neun Stunden geöffnet, viele schließen im Sommer wochenlang. Wie müssten Kindergärten aussehen, die flexible Arbeitnehmer unterstützen? Der KURIER hat Best Practice-Modelle gefunden.
Vom Büro in den Zauberwald ist es nur eine Lift-Fahrt
Betriebskindergarten 1. Einhörner! Überall sind sie im „ Zauberwald“ zu sehen. Auf Kappen, T-Shirts, und gerade eben liegen sie als Ausmalbilder auf den Tischen vor den Kindern.
Der Zauberwald ist die bunteste Ecke im Turm der Allianz-Versicherung in Wien. Vor vier Jahren entschloss man sich, im Erdgeschoß einen Betriebskindergarten einzurichten. Mit Turnsaal, Garten, Bewegungsschwerpunkt und bilingual betreut – eine Anstrengung, die dazu beitrug, dass man den Staatspreis für Familienfreundlichkeit bekommen hat.
„Wir betreuen Kinder bereits ab dem Alter von 12 Monaten und haben jeden Monat Eingewöhnung“, sagt die pädagogische Leiterin Daniela Auer. Dazu muss man wissen: Bei der „Eingewöhnung“ (Phase, in der das Kind mit dem Kindergarten beginnt) sind Betreuungseinrichtungen oft unflexibel. Eingewöhnt wird meist im September – egal, ob das für die Familien passt.
Flexibel ist man im Zauberwald auch, was den täglichen Start angeht: Es gibt zwar einen klar strukturierten Tagesablauf. Aber Kinder dürfen auch nach 9 Uhr noch vorbeigebracht werden – etwa, wenn die Eltern später mit der Arbeit beginnen.
„Natürlich wirkt es sich positiv auf die Mitarbeiter aus, wenn sie wissen: Sowohl in der Früh als auch am Nachmittag spare ich mir die Zeit, die andere für den Weg zum Kindergarten brauchen“, sagt Karl Killian aus der Personalabteilung. Derzeit sind alle 39 Plätze im Zauberwald belegt, die Nähe zu den Kindern sorgt dafür, dass manche Eltern in der Mittagspause einen Sprung vorbeischauen. In anderen Kindergärten sind solche Abstecher eher verpönt, im Zauberwald drückt man ein Auge zu.
Die Öffnungszeiten (7 bis 17.30 Uhr, kaum Schließtage) ermöglichen den Eltern längeres Arbeiten, der Preis ist mit 150 Euro pro Monat und Kind (Essen inklusive) moderat. „Und natürlich ist klar, dass wir nicht nach Hause gehen, bevor nicht das letzte Kind abgeholt ist“, sagt Chefin Auer. Der Erfolg gibt dem Unternehmen recht. „Insbesondere für Kolleginnen in Führungspositionen“, sagt Personaler Killian, „ist der Zauberwald offensichtlich eine Erleichterung – sie kommen tendenziell früher aus der Karenz zurück“.
Gut betreut – und nebenan starten die Flugzeuge
Betriebskindergarten 2.12-Stunden-Schichten und -Tage? Für Thomas Schäffer ist das nichts Ungewöhnliches. Schäffer ist Chef des Angestellten-Betriebsrats am Flughafen Wien-Schwechat. „Und hier haben wir 50 verschiedene Schichtdienst-Modelle, die mitunter über zwölf Stunden gehen.“ Aber Schäffer ist nicht nur Betriebsrat, er ist auch zuständig für einen Kindergarten. Denn der Betriebsrat ist Gründer und wirtschaftlicher Betreiber eines Betriebskindergartens am Flughafen. Und die großzügigen Öffnungszeiten – 6 bis 19 Uhr – sollen die Mitarbeiter unterstützen.
„Die ersten Kinder kommen gegen halb sieben“, erzählt Schäffer, „die letzten werden um halb sieben geholt.“ Die Krippenplätze – derzeit 15 – seien besonders gefragt. „Weil das in Niederösterreich noch immer eher die Ausnahme ist.“ 275 Euro kostet ein Krippenplatz ohne Stunden-Begrenzung im Monat, für Mitarbeiter schießt der Flughafen Geld zusätzliches Geld zu.
Dass man die Öffnungszeiten aufgrund des neuen Gesetzes zum 12-Stunden-Tag weiter ausdehnen muss, glaubt Schäffer nicht. „Ein häufiger Schicht-Beginn ist bei uns um halb sechs am Flugfeld. Wollten die Mitarbeiter die Kinder immer so zeitig bringen, müsste sie sie um halb fünf Uhr wecken – das hält das Kind auf Dauer nicht aus.“
Wenn der Kindergartentag erst um 11 Uhr beginnen darf
Kindercompany. Bei der Frage, wie viele Wochen sie im Jahr den Kindergarten geschlossen hält, muss Ramona Roitinger kurz schmunzeln: „Wir haben am 24. Dezember, zu Neujahr und an den gesetzlichen Feiertagen geschlossen. Das war’s.“
Roitinger leitet den Kindergarten der Kindercompany am Franz-Mika-Weg in Favoriten, und hier ist Flexibilität seit Jahrzehnten eine Grundvoraussetzung: Als die Personalberaterin Virginia Franz im Jahr 1995 den Verein gründete, ging es ihr vor allem darum, die Vereinbarkeit von Job und Familie zu verbessern.
Mit erweiterten Öffnungszeiten, mit möglichst flexiblen Bring- und Abholzeiten.„Manche Eltern bringen ihre Kinder erst um zehn oder elf Uhr, je nachdem wann sie zu arbeiten beginnen“, sagt Kindergartenleiterin Roitinger. Man ordnet Tagesabläufe so, dass Kinder später einsteigen oder früher gehen können – und trotzdem gefördert werden. Dasselbe gilt am Morgen: „Wir öffnen an diesem Standort um sieben Uhr. Wenn aber eine Familie sagt, sie braucht schon um halb sieben eine Betreuung, dann wird das ermöglicht.“
Die Kindercompany hat an den meisten Standorten bilinguale Betreuer – auch das macht sie für Eltern attraktiv. Und selbstredend werden Kinder hier schon ab dem Alter von zwölf Monaten aufgenommen und betreut.
Der Franz-Mika-Weg ist die größte Einrichtung im Verein. 175 Kinder tummeln sich in den Gruppen. Der große Garten und die Betreuung lassen trotzdem alles sehr familiär ablaufen. „Ob Sie’s glauben oder nicht “, sagt Roitinger. „Ich kenne jedes der 175 Kinder beim Namen.