Sebastian Kurz im Gespräch: "Kommissionspräsident schließe ich aus"
Von Richard Grasl
KURIER: Vor einem Jahr wurde behutsam im 2-Wochen-Takt geöffnet, diesmal soll trotz hoher Zahlen alles aufgehen. Was ist der Unterschied?
Sebastian Kurz: Vor einem Jahr war das Wissen viel geringer, es gab nicht annähernd so viele Tests. Auch jetzt wären Öffnungen ohne Sicherheitsmaßnahmen nicht möglich.
Vor Kurzem war der Ziel-Inzidenzwert noch 50, jetzt liegen wir bei 180. Da fragen sich viele, warum das jetzt geht?
Wir dürfen nicht nur auf eine Zahl schauen. Wir müssen sie in Relation zu den Impfungen, zu den Tests, aber auch zum Alter der Infizierten setzen. Entscheidend für den Öffnungszeitpunkt im Mai war, dass dann schon drei Millionen Menschen geimpft sind.
Das ist nur ein Drittel der Bevölkerung. Sechs Millionen sind ungeschützt. Auch wenn sie nicht in der Risikogruppe sind, ist die Gefahr von Langzeitfolgen gegeben. Hätte man nicht bis Juni warten sollen?
Jeder kann sich schützen, das ist auch eine Frage des Wollens. Die Masken gibt es zum Selbstkostenpreis, die schützen gut. Auch Ärzte tragen sie im täglichen Patientenkontakt. Schauen wir nach Deutschland. Dort ist seit Monaten alles geschlossen, und die Zahlen steigen dennoch. Unser Weg, auf Tests zu setzen, ist der richtige, und wir sind gut durch die dritte Welle gekommen.
War es nicht auch alternativenlos, weil sich immer mehr Menschen schon illegal treffen?
Alternativenlos ist gar nichts, aber man muss versuchen, das Richtige zu tun. Wir haben das mit den Experten wochenlang berechnet. Von Mitte Mai bis Ende Juni müssen wir ganz vorsichtig sein, dann sind ab dem Sommer noch mehr Freiheiten möglich.
Bedenken beim Grünen Pass hat auch der Gesundheitsminister. Geht sich das bis 19. Mai aus oder sollte man nicht auf die EU warten?
Österreich ist hier Vorreiter. In der EU wird das bis zum Sommer dauern, darauf wollen wir nicht warten. Der Gesundheitsminister ist erst seit einigen Tagen im Amt, und die Pandemie macht keine Pause. Die Vorbereitung läuft schon seit Monaten.
Wer bekommt den Pass?
Jeder Geimpfte nach dem 21. Tag der Erstimpfung, jeder Getestete für ein bis drei Tage. Und jeder Genesene, dessen Infektion maximal sechs Monate zurückliegt.
Die „Welt“ handelt Sie als EU-Kommissionspräsidenten. War Ihre Impf-Kampagne für Bulgarien und Kroatien schon eine Wahlkampftour?
Ich habe mich für eine andere Impfstoffverteilung aus Gerechtigkeitsüberlegungen eingesetzt. Kommissionspräsident 2024 schließe ich aus.