Politik/Inland

Bundeskanzler Nehammer: "Wer legt fest, was Moral ist?"

Gleich zweimal wurde ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer beim ORF-Sommergespräch gefragt, ob er sich nicht entschuldigen wolle. Wegen der Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP, wegen der Turbulenzen, die die drei Kanzlerwechsel verursacht hätten und auch wegen der Wahlkampfkosten im Jahr 2019. Vom Bundesrechnungshof wird ja angezweifelt, dass diese korrekt abgerechnet worden sind.

Die erhoffte Entschuldigung bekamen die beiden Moderatoren Julia Schmuck und Tobias Pötzelsberger allerdings nicht zu hören. Nehammer gestand zwar ein, dass es gegen einige Personen Verdachtsfälle gibt, dass per SMS oder Whatsapp Postings geschrieben worden sind, "die alles andere als erträglich waren". Er verneinte aber erneut, dass die ÖVP an sich ein Korruptionsproblem hätte. Nehammer: "Das kann ich so nicht stehen lassen." Und: "Wer legt fest, was Moral ist? Wer sagt, was gerade ethisch ist?" Letztlich sei für ihn das Strafrecht die entscheidende Instanz. "Schuld gesprochen wird in Österreich nicht von den Medien, nicht vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss, sondern von den Gerichten."

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Was er schon in den Raum stellte, falls es zu Verurteilungen kommt: "Die, die gefehlt haben, müssen sich entschuldigen und die Verantwortung übernehmen."

Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze

Ähnlich war seine Argumentation, als er auf die mögliche Wahlkampfkostenüberschreitung im Jahr 2019 angesprochen wurde. Karl Nehammer war damals Generalsekretär und hatte mit dem Bundesgeschäftsführer den Wahlkampf zu verantworten. Der Rechnungshof hat mittlerweile einen Wirtschaftsprüfer in die Parteizentrale in Wien geschickt, um die Abrechnung noch einmal zu durchleuchten. Dem Abschlussbericht der ÖVP hatte man nicht geglaubt.

Nehammer verwies darauf, dass die Angaben von zwei Wirtschaftsprüfern bereits unter die Lupe genommen worden sind. Deswegen bereite ihm die neuerliche Prüfung auch wenig Sorge. Sollte der Rechnungshof aber Fehler entdecken, werde er dennoch keine persönlichen Konsequenzen ziehen.

Neue ÖVP-Struktur

All die Vorkommnisse haben ihn als Bundesparteiobmann aber veranlasst, die Struktur der Volkspartei durchleuchten zu lassen. Man werde sich da neu aufstellen, um "Angriffsflächen von vornherein aus dem Weg zu räumen". In erster Linie geht es um die sehr föderale Gliederung der ÖVP und der Teilorganisationen. Karl Nehammer: "Wir sind sehr wohl lernbereit."

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Natürlich wurde der Kanzler im Sommergespräch auch nach der geplanten Strompreisbremse gefragt, die am Mittwoch im Ministerrat beschlossen werden soll. Die Kritik, dass das System nicht fair wäre und zu wenig auf die verschiedenen Lebensformen eingehe, wies er zurück. Es sei darum gegangen, schnellstmöglich so vielen Menschen als möglich zu helfen – und das unkompliziert. Nehammer: "Das ist eine Abwägung, die man treffen muss." Falls es in Einzelfällen zu Ungerechtigkeiten komme, könne das noch über ein Antragssystem nachgebessert werden. Gleichzeitig verwies er darauf, dass ohnehin bereits auf vielen Ebenen gefördert werde und die Gelder derzeit bereits ausgezahlt würden.martin gebhart