"Meine Mutter beichtete, weil sie Kreisky wählte"
Von Ida Metzger
KURIER: Herr Rupprechter, Sie bezeichnen sich als „Grünen der ersten Stunde“ und als christlicher Sozialdemokrat. Demnach müsste Ihre politische Farbenlehre „Grün-Rot-Schwarz“ sein?
Andrä Rupprechter: Das ist richtig. Rot steht für mich für die Solidarität, für die Wärme, den sozialen Umgang mit den Mitmenschen. Schwarz steht für die Grundwerte, für die solide Basis, und das ist für mich die christliche Soziallehre.
Und Grün steht für mich für die Bewahrung der Lebensgrundlagen. Für die Natur und die Nutztiere, die uns anvertraut sind.
Selbstverständlich bin ich nach allen politischen Seiten offen. Ich halte nichts von Ausgrenzung.
Ihr Schwur „So wahr mir Gott helfe, vor dem Heiligen Herzen Jesu“ bei der Angelobung hat für viel Aussehen gesorgt. Welchen Stellenwert hat Religion in Ihrem Leben?
Ich bete jeden Tag. Am Donnerstag in der Früh war ich beispielsweise in der Basilika in Absam für eine 20-minütige Einkehr. Das war mir sehr wichtig, weil ich hier schon als Kind wallfahren war. Das Gebet gibt mir die stabile Mitte in meinem Leben und die Wertausrichtung. Und ich kann Ihnen versichern, dass ich sehr wohl zwischen Kirche und Staat trennen kann.
Weihnachten steht vor der Tür. Wie feiert ein gläubiger Mensch wie Sie den 24. Dezember?
Wir feiern im großen Familienkreis in Alpbach. Da gehört alles dazu: von mit dem Weihrauch durch das Haus gehen bis zum Rosenkranzbeten. Am Abend stehen nicht so sehr die Geschenke im Mittelpunkt, sondern eher das Zusammensein mit der Familie und die Besinnung auf den eigentlichen Kern dieses Festes.
Sie sind bereits das zweite Mal verheiratet, wie geht das mit Ihrer christlichen Gesinnung zusammen?
Das bezweifelt niemand. Aber aus rein katholischer Sicht ist eine Scheidung ja nicht vorgesehen ...
Zum Glauben gehört ja auch, dass man irren kann. Es ist im Christentum auch vorgesehen, das man verzeihen und eingestehen muss, wenn man Fehler gemacht hat, und dass man Umkehren kann. Und man kann ja auch beichten, wenn man will.
Sind Sie ein passionierter Jäger?
Der Stammbaum meiner Familie geht auf 1411 zurück und wir waren immer Bauern und Jäger. Darauf war meine Familie immer sehr stolz. Und ich sehe überhaupt keinen Grund, auf diese sehr wichtige Komponente zu verzichten. Und gerade wenn wir an den Rotwild-Bestand denken, dann ist es ja sogar notwendig, dass wir als Mensch eingreifen.
Wie halten Sie es mit Jagd-Einladungen? In Tirol ist die Unternehmerfamilie Schultz bekannt dafür, gerne Politiker zur Jagd einzuladen ...
Von der Familie Schultz bin ich noch nie eingeladen worden. Und wenn ich zu einer Jagd eingeladen werde, dann nehme ich sie nur an, wenn ich eine Gegeneinladung aussprechen kann. Da werden Sie bei mir keine Ungereimtheiten finden.
Sie kommen aus dem heiligen Land Tirol, aber es gibt das Gerücht, dass Sie selber nicht so heilig sind – auch der einen oder anderen Rauferei nicht aus dem Weg gehen ...
Das Ranggln hat bei uns früher zur Landeskultur gehört und ist eine alte Tradition. Und zum Vorfall am Polterabend, das kam so: Da bin ich in der Wildschönau sehr früh am Morgen von einer Gruppe von zehn Gästen angerempelt worden und relativ schnell am Boden gelegen, und dann kann ich mich nur erinnern, dass zehn Leute auf mir drauf lagen.
Welche Art von Vater sind Sie? Eher streng oder liberal?
Die Familie wird mit nach Wien kommen ...
Auf jeden Fall. An diesem Wochenende kommen wir zusammen alle von Brüssel nach Wien.
Was werden Sie an Brüssel vermissen?
Ich vermisse jetzt schon ein wenig die Weltoffenheit, die Vielfalt und die Vielsprachigkeit.
Stimmt es, dass Sie gerne singen?
Ja. Dem „Land Tirol die Treue “ und „Auf zum Schwur Tiroler Land“ sind meine Lieblingslieder.
Sie sind das jüngste Kind von elf Kindern. Musste bei einer so großen Familie zu Hause öfters der Gürtel enger geschnallt werden?
Wir waren eine relativ einfache Bergbauernfamilie. Als ich ein Kind war, ist es öfter eng geworden. So etwas wie Überfluss an Geschenken habe ich nie erlebt – wir lebten immer sehr sparsam. Allein der Umstand, dass es nicht selbstverständlich war, dass die Kinder Matura machen können oder vielleicht ein Studium, zeigt, wie knapp die Ressourcen waren. Außerdem starb mein Vater, als ich acht Jahre alt war. Trotzdem war es das Bestreben meiner Mutter, dass sie ihren beiden jüngsten Kindern ein Studium ermöglicht. Das hat sie auch geschafft und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Wie wichtig das meiner Mutter war, wird an folgender Geschichte erkennbar: Mein Vater war Bürgermeister der ÖVP und jedes Kind war Stamm-Mitglied des Bauernbundes. Also war klar, was zu wählen ist. Aber meine Mutter hat in den 70er-Jahren zwei Mal Bruno Kreisky gewählt, weil er das Stipendium für Bauernkindern eingeführt hat. Sie ging natürlich beichten und der Pfarrer hat ihr als Buße jeweils zwei Mal das „Gegrüßet seist du Maria“ aufgetragen. Das war also die Strafe in den 70ern, wenn man SPÖ gewählt hat (lacht).
Und wie stehen Sie zu Bruno Kreisky?
Bruno Kreisky und Eduard Wallnöfer sind meine großen politischen Vorbilder. Als ich ein kleines Kind war, kam Kreisky im Wahlkampf in unseren Ort, und ich sagte ihm folgendes Gedicht auf: „Der großen Freude, helles Licht, strahlt aus dem Herzen Glanz und Schein und lässt den Mann willkommen sein, der durch den Adel seiner Tat, erkoren ist zur hohen Würde in dem Staat.“ Damals war ich neun oder zehn Jahre alt und Vera Kreisky hat mir danach ein Busserl auf die Wange gegeben. Das hat mich sehr beeindruckt. Wir sind damals mit den Schützen ausgerückt – und das hat Kreisky sehr gefallen.
Gehen Sie auch zur Beichte?
Ja, selbstverständlich. Zumindest ein Mal im Jahr und das vor Weihnachten.
Nach Ihrem Schwur auf das „heilige Herz Jesu“ und dem Auftritt mit der Blasmusikkapelle wurden Sie auf Twitter schon als Nachfolger von Andrea Kdolsky bezeichnet.
Das habe ich schon gehört.
Nur weil sich Andrea Kdolsky vor dem Heiligen Vater niedergekniet und seinen Ring geküsst hat, hat man ihr so etwas wie Naivität angedichtet.
Wenn man mich unbedingt als die neue Kdolsky bezeichnen will, wie das so manche Freunde, die jetzt verhärmt sind, weil sie nichts geworden sind, tun, dann sollen sie das ruhig. Damit habe ich kein Problem.
Was halten Sie vom neuen Papst?
Der Heilige Vater Franziskus erscheint mir als genau der richtige Mann zur richtigen Zeit. Und wenn sie seine jüngsten Äußerungen zum Marxismus und zum Sozialismus im Zusammenhang mit der christlichen Soziallehre anschauen, dann können wir wahrscheinlich sehr bald eine neue päpstliche Enzyklika erwarten. Und ich bin überzeugt, dass noch einige Überraschungen kommen werden.
Welche Überraschungen trauen Sie dem Papst zu?
In der Enzyklika Quadragesimo anno (lateinisch für im vierzigsten Jahr) von Papst Pius XI. werden alle Formen von Sozialismus abgelehnt. Das stört mich, weil ich viele Sozialdemokraten kenne, die eine sehr starke christliche Verwurzelung haben – auch in unserer Regierung. Wenn es hier zu einer Öffnung kommt, wäre es längst an der Zeit, und das würde ich sehr begrüßen.
Der neue Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (52) wächst als Sohn eines Bergbauern in Brandenberg auf. Er ist das jüngste von elf Kindern. Als er erst acht Jahre alt ist, stirbt sein Vater. Als Student engagiert er sich bei den Anti-Hainburg-Demos. Seine Karriere startet Rupprechter 1988 beim Bauernbund, im April 1989 wird er Kabinettsmitarbeiter von Landwirtschaftsminister Franz Fischler. 2007 übersiedelt er nach Brüssel und ist bis 2013 Direktor für Ländliche Entwicklung im Generalsekretariat des Rates der EU. Im Dezember wird er zum Generalsekretär des Ausschusses der Regionen gewählt, verzichtet aber um Landwirtschaftsminister zu werden. Rupprechter ist zum zweiten Mal verheiratet und Vater von zwei Töchtern und zwei kleinen Söhnen. Seinen Herz-Jesu-Schwur bei der Angelobung sieht Rupprechter als Ausdruck seiner Tiroler Herkunft.