Hoffnung auf Frieden in Kolumbien
Von Walter Friedl
Ein Schützenpanzer führt den Konvoi der rund 20 Tanklastwägen an. "Schlusslicht" der Kolonne ist wieder ein Panzer der kolumbianischen Armee. Die Lkw bringen Erdöl von San Vicente del Caguan in die Provinzhauptstadt Florencia. Für die Trucker ist das ein mörderischer Job, denn in der südlichen Region Caqueta ist die linksgerichtete Guerilla-Truppe FARC besonders stark und aktiv. Immer wieder greifen die linken Rebellen die Konvois an.
Doch jetzt, nach einem fast 50-jährigen Bürgerkrieg mit mehr als 200.000 Toten, zeichnet sich ein Silberstreif über den sattgrünen kolumbianischen Bergen ab. Ab heute, Montag, wollen Vertreter der Aufständischen und des Staates über einen Frieden verhandeln – zunächst in Oslo, dann auf Kuba. "Die Tür zur Hoffnung ist wieder geöffnet", formulierte FARC-Kommandant Timoleon Jimenez, alias "Timoschenko".
"Fast täglich Anschläge"
Die Menschenrechtsaktivistin Maria Gerardina Cardozo Aragon, die auf Einladung der Dreikönigsaktion jüngst in Wien war, traut der Sache noch nicht ganz. "Für die Bevölkerung hat sich bisher gar nichts geändert. Es wird weiter gekämpft, und fast täglich kommt es zu Anschlägen", sagt die Sozialarbeiterin, die in der Region Caqueta tätig ist, im KURIER-Gespräch. Der Friedensprozess, an dessen Zustandekommen der soeben wiedergewählte Präsident Venezuelas, Hugo Chavez, wegen dessen Kontakten zur FARC maßgeblich Einfluss hatte, finde inmitten der Konfrontation statt. Es wurde kein Waffenstillstand als Bedingung für die Gespräche vereinbart.
Ausschlaggebend für den neuerlichen Dialog-Anlauf war die Patt-Situation in dem Konflikt. Nach einem massiven Einsatz der Streitkräfte – und US-Unterstützung auf breiter Front – wurde die Zahl der FARC-Guerilleros auf nunmehr 9000 halbiert. Zugleich wurden führende Köpfe der Organisation getötet. Sie hat zwar an Schlagkraft eingebüßt, ist aber nicht zuletzt durch neue Zwangsrekrutierungen nach wie vor ein Machtfaktor. Und so hat die Regierung unter dem seit 2010 amtierenden Präsidenten Juan Manuel Santos eingesehen, dass die FARC mit militärischen Mitteln nicht zu besiegen ist.
"Konstruktionsfehler"
Allerdings, kritisiert Cardozo Aragon, sei auch in diesem Friedensprozess "die Zivilgesellschaft leider nicht eingebunden". Dieser "Konstruktionsfehler" sei neben dem fehlenden politischen Willen der FARC mit ein Grund dafür gewesen, weshalb die Annäherung der Streitparteien schon 2002 gescheitert sei, meint die Sozialarbeiterin.
Damals, 1998, war Präsident Andres Pastrana den Rebellen sehr weit entgegengekommen: Er überließ ihnen eine demilitarisierte Zone rund um San Vicente in der Größe der Schweiz (siehe Grafik). Zumindest wirtschaftlich waren dies "goldene Zeiten" für die Einwohner der Region. Im Supermarkt wurde mit Koka-Bündeln statt mit Bargeld bezahlt.
Die FARC aber, die schwer im Drogengeschäft mitmischt, nützte den Waffenstillstand, um sich zu restrukturieren und hochzurüsten. 2002 ließen die Aufständischen die Gespräche platzen. Und begannen neuerlich, Leute zu entführen. Noch im selben Jahr wurde die Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt gekidnappt – sie sollte erst sechs Jahre später bei einer Geheimdienstoperation freikommen.
Als die kolumbianischen Streitkräfte wieder in die Zone einrückten, brachen für die Bewohner des Departamento Caqueta schwere Zeiten an. Die Koka-Felder der Bauern wurden weitgehend vernichtet, und mit Mais machten sie deutlich weniger Profit. Zudem wurden sie pauschal als FARC-Sympathisanten eingestuft und dementsprechend behandelt. Zumindest für den Bürgermeister San Vicentes, Domingo Perez, dürfte das tatsächlich stimmen: In seinem Büro hängen Poster von Che Guevara sowie dem verstorbenen FARC-Gründer Marulanda. Und einer der Brüder von Perez führt eine Guerilla-Einheit an.
"Hoffnung und Zweifel"
Sollten die Gespräche zum Erfolg führen, könnten die Untergrundkämpfer ihre Kalaschnikows endgültig an den Nagel hängen und ihre Dschungelverstecke verlassen. Doch bis dahin dürfte es noch ein langer, steiniger Weg sein.
Die Einschätzung von Cardozo Aragon: "Die einfachen Leute schwanken zwischen Hoffnung und Zweifel, dass auch dieser Anlauf wieder scheitern könnte."
Weltweit größter Kokain-Produzent
Obwohl die Regierung in Bogota mit massiver US-Unterstützung die großen Drogen-Kartelle zerschlagen und die Koka-Anbauflächen drastisch reduzieren konnte, ist Kolumbien mit geschätzten 350 Tonnen jährlich noch immer der größte Kokain-Produzent der Welt. Um die entsprechenden Felder zu lokalisieren, arbeitet die UNO eng mit Wissenschaftlern der Universität für Bodenkultur in Wien zusammen. Diese haben Methoden entwickelt, mit denen Luft- und Satellitenbilder besser ausgewertet werden können. Derzeit beträgt die Gesamtfläche der Koka-Felder rund 60.000 Hektar.