Politik/Ausland

Wieder Schussattentat auf Politikerin in Ecuador

Die ecuadorianische Parlamentskandidatin Estefany Puente ist eigenen Angaben zufolge bei einem Schusswechsel leicht verletzt worden. Die Politikerin, die für einen Sitz in der Provinz Los Rios kandidiert, erklärte am Freitag zudem, sie hätte keine Drohungen erhalten.

Der Vorfall ereignete sich einen Tag nach der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio.

Dieser wurde am Mittwochabend, weniger als zwei Wochen vor den Wahlen, beim Verlassen einer Wahlkampfveranstaltung niedergeschossen.

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Inzwischen wurde eine Gruppe von sechs Kolumbianer als Tatverdächtige im Zusammenhang mit dem Attentat auf Villavicencio festgenommen. Auch ein mutmaßlicher Angreifer, der bei dem Attentat in einem Schusswechsel mit Leibwächtern getötet worden war, soll Kolumbianer gewesen sein.

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Der zur politischen Mitte gehörende Präsidentschaftskandidat Villavicencio war ein auf die Aufdeckung von Korruption spezialisierter Journalist und Ex-Abgeordneter. Ihm waren aufgrund der jüngsten Umfragen Chancen zugeschrieben worden, Staatschef zu werden.

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Villavicencio hatte an einer Untersuchung zur Aufdeckung eines umfangreichen Korruptionsnetzwerks mitgewirkt, in das der ehemalige linksgerichtete Staatschef Rafael Correa verwickelt war. Im Wahlkampf warb er für harte Maßnahmen gegen Kriminalität und Korruption.

Innenminister Juan Zapata schrieb die Ermordung am Donnerstag "kriminellen Gruppen" zu, ohne dies jedoch zu konkretisieren. Staatschef Guillermo Lasso erklärte, die Täter seien Mitglieder der "organisierten Kriminalität". "Wir bezweifeln nicht, dass dieser Mord ein Versuch ist, den Wahlprozess zu sabotieren", sagte der Präsident. In Ecuador gilt seit dem Attentat der Ausnahmezustand, das Militär übernimmt Aufgaben der inneren Sicherheit.

Waffen und Drogenkartelle

Lasso hatte im April die Waffengesetze gelockert und den Bürgern das Tragen von Waffen erlaubt. Ecuador kämpft mit Kriminalität und alltäglicher Gewalt. Allein in den Gefängnissen wurden bei Auseinandersetzungen Hunderte Häftlinge getötet. Die Regierung macht dafür vor allem die Drogenkartelle verantwortlich.

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In den vergangenen Jahren ist Ecuador immer tiefer in den blutigen Krieg um Einflussgebiete und Transportwege im internationalen Drogenhandel gezogen worden. Das Land liegt auf der Transitroute des Kokains, das in Kolumbien, Bolivien und Peru hergestellt und dann in die USA oder Europa geschmuggelt wird. In dem Geschäft geht es um Milliarden US-Dollar. Die lokalen Banden kämpfen mit brutaler Gewalt um ihr Stück vom Kuchen.

"Ecuador hat mit einem beispiellosen Anstieg von Unsicherheit und Gewalt zu kämpfen. Seit 2018 ist der einst gute Ruf des Landes als einer der sichersten Häfen der Region ins Wanken geraten und 2022 war das gewalttätigste Jahr in der Geschichte des Landes", sagte Camila Ulloa vom Forschungsinstitut Grupo Faro dem Fachmagazin "Americas Quarterly". "Neben einer Verfünffachung der Zahl der gewaltsamen Todesfälle in den vergangenen fünf Jahren hat das Jahr 2023 ein noch nie da gewesenes Ausmaß an politischer Gewalt erlebt." Erst vor rund zwei Wochen war der Bürgermeister der Hafenstadt Manta, Agustín Intriago, getötet worden. In Esmeraldas wurde der Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung, Rider Sánchez, erschossen.

In Ecuador ringen derzeit zwei Verbrechersyndikate um Macht und Einfluss: Die "Choneros", die mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell zusammenarbeiten, und "Los Lobos", die nach Angaben des Fachportals Insight Crime Beziehungen zum mexikanischen Kartell Jalisco Nueva Generación unterhalten. Auch albanische Drogenhändler sollen mittlerweile in Ecuador mitmischen.

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In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Banden in den völlig überfüllten Gefängnissen. Viele Haftanstalten werden von kriminellen Organisationen kontrolliert, die inhaftierten Gangsterbosse führen ihre Geschäfte aus den Zellen weiter. "Fito", der Chef der "Choneros", soll Villavicencio noch kurz vor dessen Ermordung gedroht haben.

"Durch sein Versprechen, die Korrumpierung staatlicher Stellen und die Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen zu untersuchen, wurde Villavicencio zur Zielscheibe", sagte Will Freeman vom Council on Foreign Relations.