Politik/Ausland

Wer nach China reist, wird via App überwacht

Kaum jemand verbindet moderne Technologien und Menschenrechtsverletzungen so effizient und flächendeckend, wie China. Neben dem Social-Credit-System, dass das "soziale Verhalten" chinesischer Bürger belohnen soll - in erster Line aber Regierungstreue belohnt - zeigt sich dieser Umstand sehr gut am Beispiel der muslimischen Minderheit "Uiguren".

Mehr als eine Million Uiguren und andere Muslime sind Menschenrechtsaktivisten zufolge in Arbeits- und Umerziehungslagern unter Extremismusverdacht interniert. Nachdem die Regierung in Peking die Existenz der Lager zunächst geleugnet hatte, spricht sie heute von "Berufsbildungszentren" zur Deradikalisierung.

Die Uiguren werden in ihrem Alltag Berichten zufolge eng überwacht, etwa über fest installierte Apps auf ihren Handys, wie die Süddeutsche Zeitung am Dienstag berichtete. Neu allerdings ist dem Bericht zufolge, dass auch ausländische Touristen in Xinjiang über ihr Handy ausgespäht würden.

"Sammelnde Honigbienen"

Dem Bericht zufolge installiert die Polizei auf Smartphones von über Land nach Xinjiang einreisenden Touristen eine Anwendung namens Fengcai, was mit "sammelnde Honigbienen" übersetzt werden könne. Die App sei im Verbund mit dem NDR, dem britischen Guardian, der New York Times und dem Dachblatt Vice Motherboard ausgewertet und mit Hilfe von IT-Experten der Ruhr-Universität Bochum entschlüsselt worden.

Die App werde am Grenzübergang ohne weitere Aufklärung über den Vorgang von Polizisten auf den Smartphones von Einreisenden installiert, berichtete die SZ. Anschließend habe die Software Zugriff auf Kontakte, Kalender, SMS, Standort oder Anruflisten. Zudem durchsuche die App selbständig den Datenspeicher nach auffälligen Dateien.

Dabei gleiche der Algorithmus gespeicherte Inhalte mit einer Liste von 73.315 Dateien ab, von denen die meisten mit islamischem Terrorismus zu tun hätten. Bei Treffern alarmiere die App die Polizei, berichtete die SZ. Auf der Liste befänden sich aber auch unverfängliche Koransuren oder Texte zum Dalai Lama, Tibet oder Taiwan.

Edin Omanovic von der NGO "Privacy International" beschreibt diesen Umstand in einem Land, in dem man "in einem Internierungslager enden kann, wenn man die falsche App herunter lädt oder den falschen Artikel liest" als "höchst alarmierend".

Erdogan vollzieht 180-Grad-Drehung

Alarm geschlagen hat regelmäßig der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, wenn es um die Uiguren ging. Noch im Februar hatte das türkische Außenministerium erklärt, Chinas Umgang mit der Minderheit des muslimischen Turkvolks sei eine "Schande für die Menschheit". Damals war die Türkei das erste muslimische Land, das sich klar zu den sich häufenden Berichten über frappierende Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang positionierte.

Im Widerspruch zu früheren Verlautbarungen, hat Erdogan die Lebensverhältnisse der Uiguren nun gelobt. Das berichtete die staatliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua nach einem Treffen Erdogans und Chinas Staatschef Xi Jinping am Dienstag in Peking.

Erdogan habe hervorgestrichen, es sei Fakt, "dass Bewohner verschiedener Ethnien der Autonomen Uigurenregion Xinjiang dank Chinas Wohlstand glücklich leben". Ankara werde niemandem erlauben, einen Keil zwischen die Türkei und China zu treiben, zitierte Xinhua Erdogan weiter.