Politik/Ausland

Weltkrieg vor der Tür? Presseecho zu Trumps Alleingang in Syrien

Mit einem US-Raketenangriff auf einen syrischen Flugzeugstützpunkt antwortet US-Präsident Donald Trump auf den mutmaßlichen Einsatz von Chemiewaffen im Syrien-Konflikt. Schon in der Ankündigung des amerikanischen Alleingangs sieht die internationale Presse eine neue Eskalationsstufe.

"Eine Großexplosion im Nahen Osten kann den Beginn eines Weltkriegs bedeuten"


Für die rumänische Tageszeitung Adevarul könnte eine extrem gefährliche Eskalation des Konflikts in Syrien bevorstehen. "Eine Großexplosion (...) im Nahen Osten kann den Beginn eines Weltkriegs bedeuten", analysiert das Blatt. Es sei tragisch zu sehen, dass repräsentative Politiker keine Lösungen finden. "Obwohl sie wissen, dass die Aussicht eines Weltkriegs so nahe ist."

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Die rechtsliberale spanische ZeitungEl Mundosieht im Fehlen einer geeigneten Antwort der internationalen Gemeinschaft ein Scheitern der Zivilisation, das alle beschämen müsse. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sei nicht in der Lage, eine Resolution zur Verurteilung des Angriffs zu verabschieden. Die Regierung des syrischen Staatschefs Bashar al-Assad, der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstützt wird, sei dabei, alle roten Linien zu überschreiten. "Und weder die internationalen Organisationen noch die direkt oder indirekt verwickelten Länder konnten bisher das Blutbad stoppen (...)", schreibt die Zeitung.

"Willkommen auf der Welt, Mr. President"


"Die Wirklichkeit ruft Donald Trump", meint die rechtsliberale dänische Tageszeitung Jyllands-Posten zur Reaktion des US-Präsidenten. Der Neue im Weißen Haus könne seine Augen nicht länger vor dem "Schlachthaus Syrien" verschließen. Nach dem jüngsten Giftgasangriff auf die Zivilbevölkerung mit mehr als 80 Toten habe sich der Präsident ungewöhnlich emotional gezeigt: "Willkommen auf der Welt, Mr. President", schreibt die Zeitung. Das mächtigste Amt der Welt beinhalte, auch moralisch ein Vorbild zu sein. "Falls Trump sich dessen vor seinem Einzug ins Weiße Haus nicht bewusst war, dann lernt er es jetzt auf die harte Tour."

Trump vor vier Jahren: "Greifen Sie Syrien nicht an"

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Wegen eines mutmaßlichen Giftgaseinsatzes hat US-Präsident Donald Trump einen Luftangriff in Syrien befohlen - seinem Amtsvorgänger Barack Obama hatte er in sehr ähnlicher Situation vor wenigen Jahren entschieden davon abgeraten. "Noch einmal, an unseren sehr dummen Anführer, greifen Sie Syrien nicht an", schrieb Trump im September 2013 in einer von mehreren ähnlich lautenden Twitter-Nachrichten.

"Wenn Sie das tun, werden viele sehr schlimme Sachen passieren, und von dem Kampf haben die USA nichts!", hieß es weiter in dem Tweet, den der Bauunternehmer komplett in Großbuchstaben schrieb.

Obama hatte damals dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad mit Luftangriffen gedroht, sollte er Chemiewaffen gegen das eigene Volk einsetzen. Assad überschritt Obamas "rote Linie", der damalige US-Präsident entschied sich aber gegen einen Militäreinsatz. Dafür kritisierte Trump seinen Vorgänger in den vergangenen Tagen scharf.

Als Reaktion auf einen mutmaßlichen Giftgasangriff vor wenigen Tagen im Norden Syriens, bei dem Aktivisten zufolge mehr als 80 Menschen ums Leben gekommen waren, ließ der neue US-Präsident in der Nacht auf Freitag einen Luftwaffenstützpunkt in dem Bürgerkriegsland bombardieren.

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Nach dem US-Luftangriff in Syrien haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande Syriens Machthaber Bashar al-Assad die "alleinige Verantwortung für diese Entwicklung" gegeben. "Sein wiederholter Einsatz von chemischen Waffen und seine Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verlangten eine Sanktionierung", erklärten sie in einer Mitteilung.

Die USA hatten in der Nacht auf Freitag als Vergeltung für den mutmaßlichen Giftgasangriff vom Dienstag eine Luftwaffenbasis der syrischen Armee in der Provinz Homs mit Marschflugkörpern angegriffen. Es war das erste Mal, dass die USA in dem seit sechs Jahren andauernden Bürgerkrieg die Regierungstruppen attackierten, bisher hatten sie sich auf den Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) konzentriert.

Merkel und Hollande gaben in ihrer Erklärung Assad die Verantwortung für die Reaktion der USA. Sie wiesen auf frühere Einsätze von Giftgas durch die Truppen des von Russland gestützten Machthabers hin und nannten ausdrücklich das "Massaker" von Ghuta: Bei einem Chemiewaffenangriff in Ost-Ghuta waren im August 2013 Hunderte Menschen getötet worden.

"Frankreich und Deutschland werden mit ihren Partnern und im Rahmen der Vereinten Nationen ihre Bemühungen fortsetzen, um Präsident Assad für seine verbrecherischen Taten zur Verantwortung zu ziehen", erklärten Merkel und Hollande. Sie riefen die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, sich "geschlossen für einen politischen Übergang in Syrien einzusetzen".

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Der sozialdemokratische deutsche KanzlerkandidatMartin Schulz zeigt Verständnis für den US-Militäreinsatz gegen einen syrischen Luftwaffenstützpunkt. "Mit den amerikanischen Luftschlägen (...) sollte die Fähigkeit des Assad-Regimes, weitere Kriegsverbrechen zu begehen, eingeschränkt werden", erklärt Schulz in Berlin.

Nach seinen Worten wäre es Aufgabe des UNO-Sicherheitsrats gewesen, eine klare Antwort zu formulieren. "Dazu war der Sicherheitsrat nicht in der Lage."

Ähnlich äußerte sich der deutsche AußenministerSigmar Gabriel(ebenfalls SPD). "Es war kaum erträglich, mit ansehen zu müssen, dass der Weltsicherheitsrat nicht in der Lage war, klar und eindeutig auf den barbarischen Einsatz chemischer Waffen gegen unschuldige Menschen in Syrien zu reagieren", erklärte Gabriel am Freitag am Rande seiner Mali-Reise in Bamako. "Dass die Vereinigten Staaten jetzt mit einem Angriff gegen die militärischen Strukturen des Assad-Regimes reagiert haben, von denen dieses grausame Kriegsverbrechen ausging, ist nachvollziehbar."

"So nachvollziehbar nach dem Versagen des Weltsicherheitsrats der Militäreinsatz der USA gegen die militärische Infrastruktur auch war, so entscheidend ist es jetzt, zu gemeinsamen Friedensbemühungen unter dem Dach der UN zu kommen", sagte Gabriel. Es gelte jetzt, mit aller Kraft die Arbeit der Vereinten Nationen zu unterstützen, um eine politische Lösung des Bürgerkriegs zu erreichen. "Europa und auch Deutschland stehen dafür bereit", sagte Gabriel. "Die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage zeigen, dass dafür auch die beteiligten Konfliktparteien aus der Region und auch die USA und Russland gebraucht werden."

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Auch AußenministerSebastian Kurz(ÖVP) hat Verständnis für den US-Luftangriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt gezeigt. "Wir verstehen das militärische Eingreifen gegen das Flugfeld auch als vorbeugende Maßnahme, um in Zukunft Giftgasangriffe zu verhindern", sagte Kurz nach Angaben eines Sprechers am Freitag. Kurz verwies aber gleichzeitig auf die UNO.

"Während wir die Motivation der USA verstehen, liegt es in der Verantwortung des UNO-Sicherheitsrates, derartige Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen", sagte Kurz. Der Außenminister verurteilte den Giftgasangriff vom Dienstag mit Dutzenden Toten "auf das Schärfste". Dieser "bedarf auch einer scharfen Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft". Für Österreich sei dies die Verantwortung der Vereinten Nationen. "Wir erwarten, dass sich der UNO-Sicherheitsrat seiner Verantwortung entsprechend verhält und die Schuldigen des Giftgasangriffs zur Verantwortung gezogen werden."

China hat nach dem US-Angriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt vor einer weiteren Eskalation des Konflikts gewarnt. Eine "erneute Verschlechterung" der Lage müsse dringend verhindert werden, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Freitag in Peking. China lehne den Einsatz von Chemiewaffen kategorisch ab, unabhängig davon, wer sie für welchen Zweck einsetze, fügte sie hinzu.

"Die Menschen in Syrien leiden sehr. Wir fordern alle Seiten dazu auf, ruhig zu bleiben und die Probleme durch Dialog und politische Maßnahmen zu lösen", sagte die Sprecherin des Außenministeriums in Peking, Hua Chunying, am Freitag. Friedensgespräche müssten vorangetrieben werden, um in der Region wieder Stabilität zu schaffen. Mit einer direkten Bewertung der US-Aktion hielt sich die Sprecherin jedoch zurück. Ob der Angriff eine Wende in der Syrien-Politik der USA bedeute, könne nur die Regierung in Washington selbst beantworten.

Mit dem Luftangriff in Syrien haben die USA nach Expertenansicht gegen das Völkerrecht verstoßen. "Hier haben die USA mehr oder weniger als Ankläger, Richter und Vollstrecker gehandelt, was völkerrechtlich natürlich nicht in Ordnung ist", sagte Stefan Talmon, Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

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Für die Bombardierung habe keine Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat vorgelegen. "Es handelt sich hier um eine Strafaktion, um eine Vergeltungsmaßnahme", sagte Talmon. Militärmaßnahmen als Antwort auf eine Verletzung der Menschenrechte seien aber im internationalen Recht nicht vorgesehen. Es hätte nur dann rechtmäßig Gewalt angewendet werden dürfen, wenn damit ein bevorstehender Chemiewaffeneinsatz hätte verhindert werden sollen - das wäre dann aber zu beweisen gewesen, sagte Talmon.

Bereits 2013, nach einem verheerenden Giftgaseinsatz in Syrien, hatte sich der UN-Sicherheitsrat darauf geeinigt, wirtschaftliche oder militärische Sanktionen zu beschließen, sollten in dem Bürgerkriegsland erneut Chemiewaffen zum Einsatz kommen. Solche Strafmaßnahmen würden nun aber höchstwahrscheinlich an einer Blockade Russlands scheitern. Zuletzt verhinderte die Vetomacht Russland eine UN-Resolution, mit der eine rasche Aufklärung des mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes in der Provinz Idlib vom vergangenen Dienstag erzielt werden sollte.

Erst hat US-Präsident Donald Trump abgewogen: Wie reagiere ich auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien? Nun haben die Amerikaner Marschflugkörper abgefeuert. Jetzt ist Syriens Schutzmacht Russland mit seiner Reaktion am Zug.

Die russische Politik hat den US-Angriff auf syrische Regierungstruppen in scharfen Worten verurteilt. Doch kann Moskau eine härtere Reaktion folgen lassen? Fragen und Antworten zu den russischen Optionen:

Warum ist Syrien für Russland so wichtig?

Syrien ist ein alter Verbündeter seit sowjetischen Zeiten. Russland ist außerdem strikt gegen den Sturz von Regierungen durch Proteste oder Bürgerkriege. Durch das Eingreifen in den Syrienkrieg, durch seine Militärstützpunkte im Land hat Russland international Bedeutung zurückgewonnen - gerade auch gegenüber den USA.

Wird Russland militärisch auf den Angriff reagieren?

Nein. Russland hatte angeblich sein Abwehrsystem S-400 zum Schutz des syrischen Luftraums nicht einmal aktiviert während der Angriffe. Hätten russische Soldaten versucht, eine US-Rakete abzuschießen, wäre das Auslöser eines großen Zusammenstoßes gewesen. "Die Reaktion aus Washington (auf den mutmaßlichen Giftgasangriff syrischer Truppen) mag Moskau nicht gefallen haben, aber es war auch nicht willens, sich dagegen zu stellen", schreibt der Russland-Experte Mark Galeotti.

Den kurzen Draht zwischen russischen und US-Militärs in Syrien hat Moskau vorerst gekappt. Dabei scheint dieser Draht in der Nacht auf Freitag funktioniert zu haben. Die USA haben nach eigenen Angaben die russischen Soldaten auf dem angegriffenen Luftwaffenstützpunkt gewarnt.

Was kann diplomatischer Druck aus Moskau ausrichten?

Russland will den US-Angriff vor den UN-Sicherheitsrat bringen. Doch der ist in Sachen Syrien ohnehin blockiert - meist weil Russland Resolutionen der anderen Seite mit seinem Veto blockiert.

Wie sieht es mit wirtschaftlichem Druck aus?

Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt wegen der Moskauer Übergriffe auf die Ukraine. Umgekehrt dürfte das kaum funktionieren - nicht bei der zwölftgrößten Volkswirtschaft gegen die größte.

Könnte Russland durch eine Eskalation an anderer Stelle Druck machen?

Diese Befürchtung kursiert zum Beispiel in der Ukraine, wo Russland die Separatisten im Osten unterstützt. Aber auch da stellt sich die Frage nach einer USA-Reaktion. Vielleicht verschärfen sich zwischen Moskau und Washington die Diplomatenausweisungen wieder.

Könnte Moskau zur gemeinsamen Chemiewaffenkontrolle in Syrien zurückkehren?

Das wäre eine positive Reaktion. Bisher nimmt Moskau den syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad in Schutz gegen den Vorwurf, erneut Chemiewaffen eingesetzt zu haben. Russland sollte seinen Erfolg, 2013 gemeinsam mit den USA Syrien das Giftgas abgenommen zu haben, nicht aufs Spiel setzen, sagt der Moskauer Politologe Wladimir Frolow. Russland könnte öffentlich oder intern Druck auf Assad ausüben, dass dieser Giftgasangriffe unterlässt. Danach sieht es aber nicht aus.