Waldner: "Assad mit Rücken zur Wand"
Von Walter Friedl
Er war von Anbeginn bei jedem Treffen der "Freunde Syriens" mit dabei. Und kennt daher die Problematik wie kaum ein anderer in Österreich. Dem KURIER gab Staatssekretär Wolfgang Waldner folgendes Interview und machte dabei eine überraschende Ankündigung.
KURIER: Wie schätzen Sie die Lage in Syrien derzeit ein?
Wolfgang Waldner: Eines ist klar: (Machthaber) Assad steht mit dem Rücken zur Wand. Sein innerer Zirkel zeigt deutliche Risse. Und der Anschlag vom Mittwoch (bei dem unter anderen sein Schwager und der Verteidigungsminister getötet wurden) ist ein schwerer psychologischer Schlag für das Regime. Assads Tage sind gezählt.
Ein verletztes Tier ist aber besonders gefährlich. Glauben Sie, dass der Mann seine Chemiewaffen einsetzt?
Wir wissen, dass er ein großes Lager hat. Zugleich muss den Beteiligten bewusst sein, was es bedeuten würde, diese Büchse zu öffnen. Und ich wünsche uns allen, dass die Lager noch gut bewacht sind und die Bestände nicht in die Hände von Extremisten fallen.
Wie wird es weitergehen?
Ich hoffe immer noch, dass es zu einem friedlichen Übergang kommt. Wir sind gegen eine militärische Lösung.
Aber der Plan von UN-Vermittler Annan scheint tot zu sein, die Zeit für eine politische Lösung abgelaufen.
In der Tat ist es schon sehr spät, später als fünf Minuten vor zwölf. Aber man muss auch für die Nach-Assad-Zeit planen und darf den Bürgerkrieg nicht weiter anheizen – etwa mit Waffenlieferungen. Aufgrund der komplexen Lage in dem Land braucht es einen nationalen Dialog, an dem alle gemäßigten Kräfte teilhaben, auch Vertreter des derzeitigen Regimes.
Obwohl es gegen die eigene Bevölkerung vorgeht?
Vertreter, an deren Händen Blut klebt, sind davon natürlich ausgeschlossen. Das habe ich als einer der Ersten schon vor mehr als einem Jahr gesagt. Wer Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verantworten hat, gehört vor den Internationalen Strafgerichtshof. Aber die verschiedenen Gruppen in Syrien – seien es Christen, Alawiten, Sunniten oder Kurden – müssen zusammenleben.
Apropos Christen, meinen Sie, dass diese Religionsgemeinschaft, die bisher treu zu Assad steht, nach einem Umsturz gleichsam zu Freiwild erklärt wird – zumal Islamisten an Einfluss gewinnen?
Diese Gefahr existiert, und mit jedem Tag steigt die Gefahr, dass die Extremisten stärker werden und Religionen in Geiselhaft genommen werden. Ein Religionskrieg könnte die ganze Region ins Chaos stürzen, mit Folgen, die man sich gar nicht vorstellen will. Gerade deswegen ist der nationale Dialog in Syrien so wichtig.
Wie soll das funktionieren, wenn selbst die Opposition ein so zerstrittener Haufen ist?
Sie ist sich dessen bewusst, dass sie sich zusammenraufen muss, ihre Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel. Und ich sehe auch Fortschritte.
Themenwechsel: Der österreichische Beitrag für die humanitäre Syrien-Hilfe in der Höhe von 250.000 € wurde als zu gering kritisiert. Ist eine Aufstockung angedacht?
Ja, wir werden den Betrag auf eine Million Euro vervierfachen. Von den zusätzlichen 750.000 Euro wird die OCHA 250.000 erhalten (die UN-Organisation ist für humanitäre Angelegenheiten zuständig), 500.000 Euro wickeln wir über heimische NGOs ab, die vor Ort in den Nachbarländern tätig sind.
Wie lange wollen Sie die Botschaft in Damaskus angesichts des eskalierenden Bürgerkrieges noch offen halten?
Wir nehmen täglich eine Sicherheitsevaluierung vor. Davon hängt es auch ab, ob Botschafterin Maria Kunz am Montag wieder in die syrische Hauptstadt reisen wird. Ich halte das für zielführend, um weiter an Informationen aus erster Hand zu gelangen. Solange die Mitarbeiter vor Ort das Risiko für kalkulierbar erachten, bleiben wir. Das ist auch wichtig für den Ernstfall, dass wir die 180 Auslands¬österreicher evakuieren müssen – zumeist handelt es sich um Doppelstaatsbürger.
Und was ist mit den knapp 400 österreichischen UN-Soldaten auf den Golanhöhen?
Nach den mir vorliegenden Informationen gibt es derzeit keine Hinweise auf eine Gefährdung.
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