Viktor Orban: „Werden bestraft und beleidigt“
Wer die Vorgeschichte und Viktor Orban nicht kennt, konnte Gefahr laufen, der Verteidigungsrede des ungarischen Ministerpräsidenten im EU-Parlament am Dienstag auf den Leim zu gehen.
Die Kritik der EU-Partner, Orbans
Regierung gefährde Grundrechte und fördere Antisemitismus und Homophobie?
„Zutiefst ungerecht und beleidigend, hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“
Der Vorwurf, er nutze die Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament für rechtswidrige Verfassungsänderungen?
„Die Zwei-Drittel-Mehrheit repräsentiert die Einheit des Landes, dafür wollen wir nicht bestraft werden.“
Der Plan, Ungarn unter Beobachtung zu stellen?
„Eine Strafe, weil wir unser Land besser durch die Wirtschaftskrise geführt haben als andere.“
Es war, wenn man so will, ein „klassischer Orban-Auftritt“: Auf keinen der Vorwürfe, die EU-Kommission und Parlament seit Monaten gegen seine Regierung erheben, ging er ein. Stattdessen gerierte er sich als Freiheitskämpfer, appellierte an das Wir-Gefühl der Zuschauer zu Hause: In Ungarn ist alles eitel Wonne – und weil Rest-Europa uns das neidig ist, werden wir verfolgt.
„Wie unter Stalin“
Die emotionale Debatte – Orbans Parteikollege Csajer verglich die Diskussion über Ungarn mit einem Schauprozess im Russland Stalins – zeigte vor allem eines: Die EU weiß nicht, wie sie mit Mitgliedern umgehen soll, die sie der Missachtung von Grundwerten verdächtigt.
Ein vernünftiger Dialog mit Orban scheint nicht möglich. Taugliche Sanktionsmöglichkeiten gibt es auch nicht. Einziges Instrument wäre ein Verfahren nach Artikel sieben der EU-Verträge, der bis zum Entzug der Grundrecht führen kann.
Die Kommission hat ein solches Verfahren in Aussicht gestellt; in einem Bericht, der am Mittwoch vom Parlament verabschiedet wird, wird es auf Druck der Konservativen, zu denen Orbans Partei Fidesz zählt, nicht empfohlen. Stattdessen wird – wieder einmal – die „systematische Einschränkung von Demokratie und Grundrechten“ kritisiert und ein neuer Überwachungsmechanismus für Fälle wie diesen gefordert.
So dürfte sich das Katz-und-Maus-Spiel der vergangenen Monate fortsetzen. „Orban geht fünf Schritte vor und zwei zurück“, sagt die Grüne Ulrike Lunacek. Erst vergangene Woche hat die ungarische Regierung neuerliche Verfassungsänderungen in Aussicht gestellt, um die Kritiker zu besänftigen.
Bei den drei Punkten, zu denen die Kommission Verfahren eingeleitet hat, handelt es sich um ein Verbot von Wahlwerbung für politische Parteien in privaten Rundfunk, Steuern für den Ausgleich von Kosten, die durch eine Verurteilung Ungarns vom Europäischen Gerichtshof entstehen, und die Möglichkeit, Verfahren anderen Gerichten zuzuteilen. Die Regierung sagte bisher in der Steuerfrage und der Verweisung von Fällen an andere Gerichte Änderungen zu.