Politik/Ausland

Obama und der Selfie-Stick

Wie bekommt man den US-Präsidenten dazu, einen Selfie-Stick zu verwenden? Und vor allem dazu, YOLO zu sagen? Indem man ihn damit lockt, seine Gesundheitsreform zu propagieren. Der US-Präsident hat der Unterhaltungsseite BuzzFeed, die in jüngerer Vergangenheit auch im Nachrichtensegment reüssiert hat, ein ausführliches Interview gegeben. Quasi als Bonus gab’s ein selbstironisches Video des Präsidenten, dessen Affinität zur Popkultur ja kein Geheimnis ist – es ist auch nicht der erste derartige Auftritt Obamas.

Gezeigt wird Barack Obama dabei in vielen „privaten“ Posen: „Dinge, die jeder tut, aber über die niemand spricht“ ist schließlich auch das Leitmotiv des Clips. Er streckt seine Zunge raus, er probiert Joe Bidens Sonnenbrillen aus und greift schließlich vor lauter Langeweile zum Selfie-Stick. Er sagt "Lasst mich leben!" und "YOLO!" (You only live once), als er bei seinem eigentümlichen Tun erwischt wird. Schlussendlich veräppelt der Präsident seine eigene Politik: „Danke, Obama“, sagt der er zu sich selbst, nachdem er erfolglos versucht hat, ein riesiges Cookie in ein viel zu kleines Milchglas zu tunken. Eine Anspielung auf die vielen kritischen Stimmen, die den Satz mit zynischem Unterton verwenden, um sein Projekt Obamacare anzugreifen – am Sonntag ist die Deadline für die Registrierung, daher auch der bewusst gewählte Veröffentlichungs-Termin.

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Millionenfach geklickt

Das Portal, das mit Artikeln wie „30 Dinge, die Dir zeigen, dass Du über 30 bist“ zum Phänomen in der US-Medienlandschaft geworden ist, hatte zuletzt mit der Ankündigung künftig mehr politische Berichterstattung bieten zu wollen, für Aufsehen gesorgt. Mit dem Interview selbst (siehe unten) mag ihnen das auch gelungen sein. Deutlich öfter angeklickt wurde aber das Video, das Präsident Obama genügend Raum zur selbstironischen Darstellung gibt: Mehr als 15 Millionen Menschen haben es binnen kurzem gesehen, auf Facebook wurde es mehr als 300.00 Mal geteilt.

Obama hat damit ausgenutzt, was Buzzfeed Wirtschaft und Politik bietet: Ein ideales Werbefeld, das nicht mit klassischen Mitteln agiert – eine Botschaft, verpackt in ein hippes, nicht nach Werbemief riechendes Umfeld. Ob die Seite damit ihrer Reputation als ernstzunehmendes Medium hilft, bleibt abzuwarten.

Obamacare war auch zentrales Thema des vom Video abgekoppelten Interviews – getitelt hat es das Portal, das es zum Amtsantritt des jetzigen Präsidenten noch gar nicht gab, apodiktisch „Obama verteidigt sein politisches Erbe“. Es ist eines der ersten Interviews, das das Vermächtnis des Demokraten thematisiert. Was Obama hinterlassen wird, ist ihm selbst ganz klar: die Gesundheitsreform Obamacare - für die „er einen hohen politischen Preis bezahlte“ - sowie die rechtliche Gleichstellung von Schwulen und Lesben. „Ich bin sehr stolz darauf zu erleben, wie schnell es hier in unserem Land zu einem Wandel gekommen ist.“

Dass die Republikaner Kapital aus dem stotternden Start der Gesundheitsreform geschlagen haben, hemmt zwar das tägliche politische Leben in Washington – schlechtreden will sich Obama die in seinen Augen zentrale Errungenschaft seiner Amtszeit aber nicht. Er geht sogar soweit, Firmen dafür zu kritisieren, seine Reform nicht zu implementieren: Für den Büroartikelhersteller Staples etwa, der einem Teil seiner Mitarbeiter den Zugang zur Krankenversicherung verwehrt, war das Interview keine besonders gute Werbung.

„Wenn riesige Unternehmen, die Milliarden Dollar Gewinn machen, unser Interesse an einer Gesundheitsvorsorge für alle dazu nutzen, ihre Lohnkürzungen zu rechtfertigen, Schande über sie”, so Obama. „Ich habe länger nicht mehr auf den Staples-Aktienkurs geschaut oder auf das Gehalt des CEO, aber ich nehme an, das Unternehmen kann es sich sehr wohl leisten, seine Mitarbeiter anständig zu behandeln.“ Zur Klarstellung: Der Chef des Konzerns verfügt über ein Jahresgehalt von 10,8 Millionen Dollar; im Februar vergangenen Jahres wurde der Gewinn mit 707 Millionen Dollar angegeben.

"Putin ist stark in der sowjetischen Vergangenheit verankert"


Auch ein anderes Minenfeld umschifft Obama gekonnt - seine Außenpolitik, die ja gerade angesichts der jüngsten Eskalation in der Ukraine mehr unter Beobachtung steht als zuvor. Dass sich der erste schwarze Präsident der USA damit wenig Meriten erworben hat, kommt nur am Rande zur Sprache; auch dass sich Obama gegenüber Russland stets sehr zaghaft gezeigt hat, bleibt leider unbesprochen. Obama skizziert dafür, was ihm den Umgang mit seinem Gegenüber in Moskau so schwer machte: „Putin ist sehr stark in der sowjetischen Vergangenheit verankert. Das ist die Zeit, in der er groß geworden ist. Er war Chef des KGB. Das sind die Erfahrungen, die ihn geprägt haben.“ Kritischer Nachsatz: Der russische Präsident habe es verabsäumt, „Russland für etwas anderes stehen zu lassen, als die alte Form sowjetischer Aggression.“

Die - wohl aufgelegte - abschließende Frage nach seinem theoretischen Nachfolger pariert er dann aber gekonnt: „Beide Parteien bringen bestens geeignete Kandidaten ins Spiel“, sagt Obama. Eine direkte Wahlempfehlung für seine ehemalige Konkurrentin Hillary Clinton, die ja darauf schielt, nach ihm im Oval Office Platz zu nehmen, entkommt ihm aber nicht. Nur so viel: „Ich kenne Hillary Clinton deutlich besser als Jeb Bush und ich glaube, sie wäre eine hervorragende Präsidentin.“