Politik/Ausland

Studie: Corona trifft Migranten gesundheitlich und ökonomisch härter

"Welchen Einfluss hat die COVID-19-Pandemie auf Immigranten und deren Kinder?": Dieser Frage ist die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in einer aktuellen Studie nachgegangen. In den OECD-Staaten stellen Immigranten und Nachwuchse mittlerweile ein Fünftel der Bewohner. Die Integration sei insgesamt besser geworden, heißt es im OECD-Bericht.

Abgesehen von der Türkei und Kolumbien seien Immigranten in den vergangenen fünf Jahren insgesamt erfolgreicher dabei geworden, einen Job zu finden und diesen auch zu behalten. Doch: Die Lücke zu den gebürtigen Staatsbürgern sei immer noch enorm. Und der "Forstschritt wird nun durch die Pandemie gefährdet". Die Schlüsselerkenntnisse zeichnen ein relativ klares Bild.

Doppelt so hohes Infektionsrisiko

Demnach sind Migranten in den 37 Mitgliedsstaaten der OECD einem doppelt so hohen Infektionsrisiko ausgesetzt, wie gebürtige Staatsbürger. Das zeige die Hospitalisierungsrate. Bisherige Studien haben nahegelegt, dass Armut mit höheren Infektionsraten korreliert. Im OECD-Schnitt leben 30 Prozent der Immigranten und "nur" 20 Prozent der Einheimischen in relativer Armut.

Eine höhere Armutsrate, Leben in überfüllten Gebäuden und Asylheimen sowie Jobs, in denen "Social Distancing" schwieriger ist, identifziert die OECD als Grundprobleme. "Immigranten befinden sich am Arbeitsmarkt potenziell in einer verletzlicheren Position, da sie generell in weniger stabilen Anstellungsverhältnissen und einem weniger langen Dienstverhältnis stehen", heißt es. Im Ausland geborene Menschen seien etwa in Irland, südeuropäischen Staaten, aber auch Österreich doppelt so stark von Corona-Arbeitslosigkeit betroffen, wie im Inland geborene Personen.

Verfügbare Daten würden zeigen, dass Migranten tendenziell stärker unter den negativen Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt leiden. Sie sind häufiger in Jobs tätig, in denen eine Arbeit aus dem Homeoffice nicht möglich ist. Demnach ist die Möglichkeit für Immigranten, aus dem Homeoffice zu arbeiten, um fünf Prozentpunkte niedriger, als bei Einheimischen. Die OECD nennt hier die Causa Tönnies als Beispiel: Rumänische Arbeiter, die bei niedrigen Löhnen in Fleischfabriken gearbeitet und unter menschenunwürdigen Bedingungen auf engem Raum gehaust haben.

Problemfeld Sprache

Ähnliches gelte im Fall von Schulschließungen und beim Online-Unterricht für Migrantenkinder. Ihre Eltern würden über weniger Ressourcen als Einheimische verfügen, könnten aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht bei der Hausübung helfen und hätten seltener einen schnellen Zugang zu Computern und Internet. "Im Licht der wachsenden Arbeitslosigkeit und der Rolle des internationalen Reiseverkehrs am Beginn der Pandemie, besteht das Risiko einer negativen Reaktion der öffentlichen Meinung gegen Migranten", warnt die OECD.

Sie präsentiert am Ende des Berichts noch diverse Lösungsansätze. So schlägt sie etwa vor, die Situation von Immigranten und deren Kindern intensiver zu überwachen, ihnen barrierefreien Zugang zu Corona-Tests und –Behandlungsmethoden zu gewähren und sicherzustellen, dass etwa in Asylheimen sanitäre Grundvoraussetzungen eingehalten werden. Weiters wichtig seien Präventivmaßnahmen gegen Diskriminierung, Unterstützung am Arbeitsmarkt und ein Sichtbarmachen der Schwierigkeiten von Migrantenkindern beim Homeschooling.

Zur Studie: Insgesamt hatte die OECD offensichtlich Probleme, vollständige Datensätze zu bekommen. In Großbritannien gibt es etwa keine Aufzeichnung zur ethnischen Herkunft oder Nationalität von positiven Corona-Fällen. Ähnliches gilt für Todesraten. In diesem Zusammenhang gibt es immerhin aussagekräftige Untersuchungen aus den USA, die zeigen, das Schwarze deutlich gefährdeter sind, an Covid-19 zu sterben, als Weiße.

Wenig Veränderung bei Einwanderung

Die Zahl jener Menschen, die sich in OECD-Ländern niederlassen, ist im vergangenen Jahr stabil geblieben. 2019 wanderten in etwa gleich viele Personen wie bereits 2018 - rund 5,3 Millionen Menschen - in Mitgliedsländer ein. Für 2020 sagen die Experten aufgrund der Corona-Pandemie einen "historischen" Tiefstand voraus.

Um durchschnittlich 46 Prozent sank die Zahl der Aufenthaltsbewilligungen in OECD-Ländern im ersten Halbjahr 2020. Das werde wohl auch der erwartete Anstieg der Migrationsbewegungen im zweiten Halbjahr 2020 in der Gesamtjahresstatistik nicht wieder ausgleichen, heißt es in dem Migrationsausblick.

2019 blieb die Zahl der Einwanderer im OECD-Durchschnitt im Vergleich zu 2018 zwar fast genau gleich, es gab jedoch erhebliche regionale Unterschiede. Denn während Österreich, die USA oder Deutschland einen Rückgang verzeichneten, stiegen die Zahlen in Spanien - vor allem wegen der Zuwanderung aus Südamerika - oder etwa Japan signifikant an.

87.000 neue Einwanderer seit 2018

In Österreich haben sich 2018 87.000 neue Einwanderer langfristig oder permanent niedergelassen - das sind um fast zwölf Prozent weniger als im Jahr davor. Rund 65 Prozent davon sind Personen, die Personenfreizügigkeit genießen, nur 6,4 Prozent sind Arbeitsmigranten, knapp elf Prozent kamen im Zuge von Familienzusammenführung. Der Anteil jener, die aus humanitären Gründen bleiben dürfen, betrug nur 17,2 Prozent.

Die Zahl der Asylanträge stieg 2019 erstmals nach zwei Jahren des Rückgangs wieder um elf Prozent an, lag aber noch immer weit unter den Rekordjahren 2015/2016. Rund die Hälfte der 1,2 Millionen Anträge wurden in europäischen OECD-Ländern gestellt. Mehr als 20 Prozent der Asylwerber stammten aus Afghanistan, Venezuela und Honduras. Auch in Österreich wurde im vergangenen Jahr ein Rückgang bei Asylanträgen registriert: 2019 suchten in der Alpenrepublik rund 11.000 Menschen - und damit um 7,1 Prozent weniger - um Asyl an. Syrien, Afghanistan und der Iran zählten zu den Top-Herkunftsnationen.

Sowohl permanente als auch temporäre Arbeitsmigration in die OECD-Länder stieg im vergangenen Jahr an. Bei zeitlich begrenzter Auswanderung zu Arbeitszwecken, die bereits 2018 zunahm, war Polen vor den USA Top-Empfängernation.

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