Politik/Ausland

Schweiz: Mehr Hackler oder mehr Forscher?

Die Aufregung über das Votum gegen die Massenzuwanderung hat sich noch nicht einmal ansatzweise gelegt, da brechen bereits die ersten Hiobsbotschaften über die Schweiz herein: So warnte am Donnerstag die Ratingagentur Fitch in einem Statement vor den Auswirkungen der Abstimmung. Die Bestnoten beim Kredit-Rating des Landes sowie der Schweizer Banken könnten in Gefahr sein, wenn auf die Eidgenossen nachteilige Änderungen ihrer Verträge mit der EU zukommen, warnte Fitch. Der größte Schaden würde entstehen, wenn der Zugang der Schweiz zum EU-Markt beschnitten würde. Letzteres aber hält Fitch in nächster Zukunft noch für wenig wahrscheinlich.

Für die Schweiz wäre die Herabstufung von ihrem AAA-Status ein schwerer Schlag. Derzeit ist das Land eines von nur 13 Staaten weltweit, das von Fitch die Bestnote erhielt.

Bremsen gezogen

Aber auch die EU hat erste Bremsen gegenüber der Regierung in Bern gezogen. Fast alle Verhandlungen Brüssels mit der Schweiz wurden seit Sonntag sistiert. Über die gemeinsamen Abkommen für Energie, Forschung und Studentenaustausch wird vorerst nicht mehr geredet. Nur der Dialog über die Revision des Zinsbesteuerungsabkommens bleibt einstweilen aufrecht.

"Nur keine Panik", warnte indes der Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter angesichts der aufkommenden Unruhe in der Schweiz. "Wir brauchen in diesem Land etwas Ruhe, etwas Mut und ein bisschen Einheit", sagte er. Immerhin habe Bern nun drei Jahre lang Zeit, um den Volksentscheid der Eidgenossen umzusetzen.

Doch schon jetzt beginnt der Streit darüber, wer künftig die Höhe der Zuwanderer-Quoten festlegen wird und vor allem nach welchen Kriterien grünes Licht für Immigranten gegeben wird.

Geht es nach dem Wunsch der Mehrheit der Schweizer, muss die Zuwanderung von zuletzt 80.000 Menschen pro Jahr deutlich sinken. Für die boomende Schweizer Wirtschaft aber bedeutet dies: Sie wird künftig weniger ausländische Arbeitskräfte erhalten.

Die großen Wirtschaftssektoren fürchten nun, untereinander um die Kontingente kämpfen zu müssen. Sollen mehr ausländische Hilfsarbeiter ins Land dürfen oder mehr Informatiker, mehr Kellner oder mehr Forscher?

Best-Ausgebildete

Erste Überlegungen, vor allem höchst qualifizierte und akademisch ausgebildete Ausländer ins Land zu lassen, sorgten beim Gastgewerbe, dem Tourismus, der Landwirtschaft und auf dem Bau sofort für einen Aufschrei. "Das käme einem wirtschaftlichen Krieg gleich", empörte sich Dominique Buman, Präsident des Schweizer Tourismus-Verbandes gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung. Buman schlägt hingegen eine Aufteilung der Ausländer-Kontingente nach Branchen und Regionen vor.

Im Sog ihres Erfolges macht die SVP, die die Abstimmung gegen die Massenzuwanderung initiiert hatte, unterdessen Druck für eine Reform des Ausländergesetzes. So verlangt sie u. a., dass Ausländer mit einem vorläufigen Aufenthaltsrecht ihre Familien nicht mehr in die Schweiz holen dürfen.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will die Zahl der Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien, vor allem aus Serbien, und Albanien rasch reduzieren. Von dort aus gebe es einen "massiven Asylmissbrauch", begründete er seine Forderung an den Bund in der Agentur dpa. "Diese Staaten führen die Liste der Herkunftsländer an, obwohl die Anerkennungsquote gegen null geht. Serbien allein hat mit über 18.000 die meisten Anträge."

Als Hauptgrund dafür sieht Hermann das durch ein Verfassungsgerichtsurteil von 2012 erhöhte Taschengeld für Asylbewerber schon in den ersten drei Monaten: "Für Familien sind da schnell stattliche Summen beisammen, die die Verdienstmöglichkeiten in den Herkunftsländern deutlich übersteigen." Dieses Taschengeld solle "gestrichen werden. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Durch die aussichtslosen Asylanträge verlängert sich die Bearbeitungsdauer für Menschen aus Ländern erheblich, in denen tatsächlich mit politischer Verfolgung zu rechnen ist", so Hermann. EU-weit stellten Bürger vom Westbalkan 13 Prozent aller Asylanträge.

Dagegen protestierten umgehend die deutsche Hilfsorganisation Pro Asyl und die kommunistische Linke. Pro Asyl behauptete, die Asylanträge würden schon jetzt "sehr rasch erledigt, schneller geht es kaum". Das Streichen von Taschengeld ließe das Verfassungsgericht nicht zu. Die Linke warf der CSU vor, "wieder mit einem Ausländer-kritischen Thema auf Stimmenfang" zu gehen.