Schottische Regierungschefin Sturgeon tritt zurück
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon ist zurückgetreten. Nachdem sie einen solchen Schritt vor wenigen Wochen noch ausgeschlossen hatte, sagte Sturgeon bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, sie fühle, "dass die Zeit jetzt gekommen ist". Die Anführerin der Schottischen Nationalpartei (SNP) steht seit acht Jahren an der Spitze der Regierung in Edinburgh und setzte sich stets vehement für die Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich ein. Sturgeon hat ihr Amt als "First Minister" seit 2014 ausgeübt.
Die 52-Jährige bestätigte, dass sie im Amt bleiben werde, bis ein Nachfolger gefunden wird. Sie betonte, dass sie die Entscheidung zum Rücktritt nach längerer Überlegung getroffen habe und nicht jüngste politische Misserfolge den Ausschlag gegeben hätten. Gleichzeitig betonte sie, dass sie in der Politik zu bleiben gedenke.
Im Ringen um eine Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich musste Sturgeon zuletzt mehrere Dämpfer hinnehmen: London blockiert eine von ihr angestrebte erneute Abstimmung über die Frage, ob Schottland weiterhin Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht.
Zudem verloren die Unabhängigkeitsbefürworter vor dem höchsten britischen Gericht. Der Supreme Court hatte geurteilt, dass das schottische Regionalparlament kein Recht hat, ohne Zustimmung der britischen Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen. Sturgeon sagte, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden.
Gender-Gesetz belastet Regierung
Zudem belastete zuletzt der Streit um ein kontroverses Gender-Gesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für das das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht für ein medizinisches Gutachten als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Als Transmenschen werden Personen bezeichnet, die sich ihrem biologischen Geschlecht nicht zugehörig fühlen.
Daran gab es viel Kritik, zu den prominentesten Kritikerinnen gehört die "Harry-Potter"-Autorin Joanne K. Rowling. Sie und ihre Mitstreiter befürchten, dass Männer die vereinfachten Regelungen ausnützen könnten, um aus sexuellen Motiven in Bereiche einzudringen, die Frauen vorbehalten sind, wie zum Beispiel Damenumkleiden oder -toiletten. Unterstützer sehen in dem Gesetz hingegen eine längst überfällige Reform, die Transmenschen das Leben erleichtern und ihnen ermöglichen könne, selbstbestimmt zu leben.
Sturgeon war die am längsten amtierende schottische Regierungschefin. Sie folgte nach der gescheiterten schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 auf ihren damaligen Parteikollegen Alex Salmond, der mittlerweile eine neue Partei gegründet hat. Die Schotten hatten damals über einen Austritt aus dem seit drei Jahrhunderten bestehenden gemeinsamen Königreich mit England und Wales abgestimmt. Die Gegner einer Unabhängigkeit setzten sich mit 55 zu 45 Prozent der Stimmen durch.
Sturgeon begründete den Wunsch nach einer erneuten Abstimmung mit dem Ausgang des Brexit-Referendums im Jahr 2016, bei dem eine deutliche Mehrheit der Schotten gegen den inzwischen erfolgten Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt hatte.