Italiens Deal mit Libyen scheitert an der Realität
Von Armin Arbeiter
180.000 Menschen gelangten vergangenes Jahr von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien. Tausende ertranken. Viele von jenen, die es nach Italien schafften, warten noch heute in Flüchtlingslagern auf einen positiven Entscheid. Die italienischen Behörden sind heillos überfordert.
Aus diesem Grund vereinbarte Italien ein Abkommen mit der libyschen Einheitsregierung, das die Mittelmeerroute zwischen den beiden Ländern schließen soll.
Einen Tag später erstellte die EU einen Zehn-Punkte-Plan, um "den Strom der Migranten aus Libyen zu managen", wie es die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini ausdrückte. Unter anderem soll die libysche Küstenwache besser ausgebildet werden, das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und die Internationale Organisation für Migration (IOM) sollen sichere Aufnahmeeinrichtungen bauen.
Keine Einheit in Libyen
Das Abkommen Italiens mit der libyschen Einheitsregierung wirkt auf ersten Blick vielversprechend – beispielsweise fördert Rom Wirtschaftsprojekte im Land und kann im Gegenzug abgelehnte Asylwerber nach Libyen zurückschicken. 200 Millionen Euro ist das der italienischen Regierung wert, zusätzlich zu bereits veranschlagten 430 Millionen für den nordafrikanischen Raum. Die libysche Einheitsregierung mit Sitz in Tripolis wird von UNO und EU anerkannt – in Libyen selbst kann jedoch von Einheit keine Rede sein.
Ministerpräsident Fayez al-Sarradsch hat zwar das Abkommen unterschrieben. Das demokratisch gewählte Parlament, das in der Stadt Tobruk im Osten des Landes sitzt, lehnt es aber ab.
Nicht nur, dass es in Libyen insgesamt drei Regierungen gibt – das Land ist seit dem Sturz des Langzeit-Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 tief gespalten, Warlords, Milizen und Terrorgruppen kontrollieren weite Teile des Landes. Die Macht von Sarradschs Regierung beschränkt sich auf den Raum Tripolis, er kontrolliert nur einen Bruchteil des langen Küstengebiets und selbst dort wechseln sich verfeindete Milizen und Schlepperbanden ab. Beispielsweise kontrolliert die sogenannte Misrata-Miliz einen breiten Streifen zwischen Tripolis und der Stadt Misrata, großteils lassen sie aber die dortigen Schlepperbanden gewähren – immerhin verdienen sie Geld daran.
"Die EU hat sich von der Bella Figura Italiens blenden lassen, dieses Abkommen kann zu nichts führen", sagt der renommierte Nordafrika-Analyst Wolfgang Pusztai zum KURIER. NGOs warnen davor, Libyen als sicheren Ort zu bezeichnen, Ärzte ohne Grenzen berichtet von unmenschlichen Zuständen in den Auffanglagern an der Küste.
Weder UNHCR noch IOM sehen sich imstande, die von der EU geforderten Aufnahmeeinrichtungen zu bauen: Das UNHCR arbeitet zwar in Afghanistan und Somalia, Libyen ist für die Organisation aber zu gefährlich. Der IOM geht es ähnlich. Seit dem Abkommen mit Italien konnte die libysche Küstenwache 500 Bootsflüchtlinge abfangen und zurückschicken, mehr als 4000 gelangten währenddessen nach Italien.