Politik/Ausland

"Das nimmt langsam groteske Züge an"

Wortgefechte, kuriose und verzögernde Anträge, ein demonstrativer Auszug aus dem Gerichtssaal: „Das nimmt langsam groteske Züge an. Wir würden gern einfach in der Sache weiterkommen“, sagte einer der Opfer-Anwälte am dritten Tag des NSU-Prozesses in München – nur in der Sache ging in dem Verfahren, in dem 60 Anwälte aktiv sind, wenig weiter.

Zunächst stellte die Verteidigerin des Nebenangeklagten Ralf Wohlleben den Antrag, wegen „medialer Vorverurteilung“ den Prozess gegen ihren Mandanten einzustellen. Wohlleben soll die Pistole besorgt haben, mit der Mitglieder des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ neun türkisch- und griechischstämmige Kleinunternehmer erschossen haben sollen. Die als Szene-Anwältin geltende Nicole Schneider argumentierte, die Hauptangeklagte Beate Zschäpe sei von Medien als „Nazi-Braut“, ihr Mandant als „Terrorhelfer“ bezeichnet worden. Auch Entschädigungszahlungen für Angehörige der Opfer seien eine Art „Vorverurteilung“, Trauer- und Gedenkfeiern ebenso.

Opferanwalt Thomas Bliwier sprach von „Stimmungsmache“ und „Verzögerungstaktik“ – und auch sonst war die Stimmung spannungsgeladen: Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer lieferte sich Wortgefechte mit dem Vorsitzenden Manfred Götzl und beklagte, dass Prozessbeteiligte lachten, wenn er sprach. „Lachen ist ein Reflex“, entgegnete die Bundesanwaltschaft, worauf Heers Kollege Wolfgang Stahl die Robe auszog und den Saal verließ.

Zunächst nicht behandelt wurde der Antrag eines Opferanwalts, das Kruzifix im Gerichtssaal abzuhängen, weil es seinen Mandanten in seinem Recht auf Religionsfreiheit verletze. Die Zschäpe-Anwälte beantragten erneut die Aussetzung der Hauptverhandlung zwecks Einsicht weiterer Akten.

Dass aus diesem Prozess zwei werden könnten, weil wegen der steigenden Zahl an Nebenanklägern der Fall des Kölner Nagelbombenanschlages ausgelagert werden könnte, macht nach so einem Prozesstag auch nicht zuversichtlich, dass das Verfahren bald seriös wird.