Politik/Ausland

Nordirischer "politischer Gigant" John Hume verstorben

Er war einer der Architekten des heilen Gleichgewichts auf der irischen Insel: Der nordirische Friedensnobelpreisträger John Hume, ehemaliger Chef der Sozialdemokraten in dem britischen Landesteil, starb nach Angaben seiner Familie im Alter von 83 Jahren. Er hatte wesentlich zum Zustandekommen des Karfreitagsabkommens von 1998 beigetragen, durch das der jahrzehntelange Bürgerkrieg in Nordirland beendet wurde.

Bei dem Konflikt standen sich mehrheitlich katholische Befürworter einer Vereinigung der beiden Teile Irlands und überwiegend protestantische Großbritannien-Loyalisten gegenüber. Etwa 3.700 Menschen kamen dabei ums Leben kamen, etwa 50.000 wurden verletzt.

Das Karfreitagsabkommen hat vor mittlerweile mehr als zwanzig Jahren nach Jahrzehnten von Anschlägen und bewaffneten Auseinandersetzungen weitgehend Frieden für Nordirland gebracht. Hume wurde zusammen mit David Trimble, dem damaligen Chef der Ulster Unionist Party, mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Beide Parteien spielen heute nur noch eine untergeordnete Rolle in der nordirischen Politik.

"Ein politischer Gigant"

Der britische Premierminister Boris Johnson schrieb auf Twitter, Hume sei „ganz einfach ein politischer Gigant“ gewesen. Ohne ihn hätte es kein Friedensabkommen gegeben.

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Auch Ex-Premier Tony Blair würdigte Hume auf der Webseite seiner Stiftung mit den Worten: „John Hume war ein politischer Titan, ein Visionär, der es ablehnte zu glauben, dass die Zukunft so sein muss wie die Vergangenheit.“ Sein Beitrag zum Frieden in Nordirland sei „episch“ gewesen, sagte der Labour-Politiker.

 

"Ein Licht der Hoffnung"

Doch nicht nur britische Politiker fanden ehrende Worte für den Verstorbenen. Irlands Präsident Michael D. Higgins sagte, Hume habe in der schwersten Zeit ein Licht der Hoffnung gebracht. Irlands Premierminister Micheál Martin nannte ihn eine der dominierenden irischen Persönlichkeiten im 20. Jahrhundert.

Heute gilt der Brexit, Großbritanniens Ausstieg aus der Europäischen Union, als Gefahr für den fragilen Frieden in der Provinz. Die Frage, wie trotz des britischen Austritts aus Binnenmarkt und Zollunion die irische Grenze offen bleiben kann, war einer der größten Knackpunkte der Austrittsgespräche. Premier Johnson stimmte letztlich Kontrollen zwischen Nordirland und den anderen Teilen Großbritanniens zu. Die Umsetzung dieser Regelung steht noch aus.

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Am 10. April 1998 wurden zwei Abkommen in Belfast unterzeichnet, die dem jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen pro-irischen, katholisch geprägten Nationalisten, die für ein vereinigtes Irland kämpften, und pro-britischen, protestantischen Unionisten, die an dem gemeinsamen Staat mit Großbritannien festhielten, vorerst ein Ende setzten.

Einerseits verpflichteten sich London und Dublin, sich an das Abkommen zu binden, andererseits setzten die maßgeblichen politischen Parteien Nordirlands ein ausgeklügeltes System ein, das ein Machtgleichgewicht zwischen Nationalisten und Unionisten sichern und zudem die Regierung der Provinz weitgehend in nordirische Hände geben sollte.

Recht auf irische Staatsbürgerschaft

Der Text hielt fest, dass Nordirland zum Vereinigten Königreich gehört und nur durch eine Volksabstimmung von diesem Staat getrennt und mit Irland vereinigt werden kann. Gleichzeitig spricht das Abkommen allen Einwohnern der Irischen Insel das Recht auf Zugehörigkeit zur irischen Nation und auch das Recht auf die irische Staatsbürgerschaft zu.

Aufgrund des Karfreitagsabkommens wurden ein nordirisches Parlament (Northern Ireland Assembly) sowie eine eigene Exekutive der Provinz gegründet. Die Parlamentarier müssen sich aufgrund der Regelung zu Beginn der Legislaturperiode als „Nationalisten“, „Unionisten“ oder „Andere“ deklarieren. Bei manchen Abstimmungen in Plenum sind nicht nur eine Mehrheit der Stimmen, sondern Mehrheiten in beiden politischen Gemeinschaften notwendig.

Verteilung der Minister

Die Ministersitze in der Exekutive werden entsprechend dem Wahlergebnis proportional zwischen den Parteien aufgeteilt, um eine Repräsentation aller wichtigen politischen Kräfte zu gewährleisten. An der Spitze stehen ein Regierungschef (First Minister) und dessen Stellvertreter (Deputy First Minister), von denen einer der unionistischen und einer der nationalistischen Seite angehören muss. Seit dem Rücktritt der nordirischen Regierungsdoppelspitze im Jänner 2017 nach einem Finanzskandal hat Nordirland derzeit keine Regierung. Das nordirische Parlament ist ebenfalls suspendiert.

Das Karfreitagsabkommen schuf weiters verschiedene Institutionen zur besseren Kooperation zwischen Irland und Nordirland  bzw. zwischen Großbritannien und Irland. Dadurch hat auch die Republik Irland ein Mitspracherecht bezüglich mancher politischer Entscheidungen, die die Provinz betreffen.

Volksabstimmungen

Das Abkommen wurde durch Volksabstimmungen in Nordirland bzw. in der Republik Irland (letztere über die notwendigen Verfassungsänderungen) auch von der Bevölkerung bestätigt. 1998 wurden zwei führende gemäßigte Politiker Nordirlands, der Nationalist John Hume und der Unionist David Trimble, für das Karfreitagsabkommen mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.