Massenprotest gegen Morales: Ultimatum an den "Tyrannen"
Von Tobias Käufer
Für seine Ankündigung hatte sich der einflussreiche Oppositionelle Luis Fernando Camacho einen ganz besonderen Platz ausgesucht. Vor der großen Christusstatue in der Oppositionshochburg Santa Cruz sprach er am Wochenende als einer der großen Widersacher des sozialistischen Präsidenten Evo Morales vor Zehntausenden Demonstranten und einem Fahnenmeer aus bolivianischen Fahnen: „Ergreifen wir viel härter Entscheidungen, um dem Tyrannen zu sagen, dass er noch 48 Stunden hat, um zurückzutreten“, rief er der Menge zu.
Camacho gehört zu einer Bürgerbewegung der Morales-Gegner, die seit dessen umstrittenen Wahlsieg am 20. Oktober zum Generalstreik aufruft. Mit offiziell 0,56 Prozent Vorsprung hatte Morales jene Hürde übersprungen, um eine Stichwahl zu vermeiden. Und die hätte er gegen den Konservativen Carlos Mesa, der ein Bündnis mit anderen Kandidaten schmiedete, verloren.
Handfeste Beweise fehlen
Die Opposition bezweifelt das Wahlergebnis und beruft sich darauf, dass die Wahlbehörde am Wahlabend eine Stichwahl in Aussicht stellte, dann die Auszählung stoppte und nach einer Wiederaufnahme der Auszählung Morales zum Sieger ausrief. Die katholische Kirche und NGOs sprechen von Indizien für einen Wahlbetrug, handfeste Beweise liegen nicht vor.
„Putschversuch“
Morales gab in der Krise ein schlechtes Bild ab: Er rief sich selbst zum Sieger aus, als noch eine Stichwahl wahrscheinlich war. Eine Wahlniederlage setzt er mit einem Putschversuch gleich. Das verstärkte den Eindruck, die Regierung übe Druck auf die Wahlbehörde aus, das „richtige“ Ergebnis zu verkünden.
Dabei war schon die Kandidatur Morales umstritten. Er verlor 2016 ein Referendum, das eine Amtszeitbegrenzung aufheben sollte. Morales trat trotzdem an und setzte seine Kandidatur auf juristischem Wege durch.
Inzwischen gibt es die ersten Toten bei Zusammenstößen zwischen Polizei und Morales-Anhängern und dem Lager der Opposition. Die Polizei ermittelt gegen eine sozialistische Abgeordnete aus dem Morales-Lager als „geistige Urheberin“ der beiden Todesfälle. In den sozialen Netzwerken laden beide Seiten Szenen hoch, die an einen Bürgerkrieg erinnern.
Maduro mischt sich ein
Venezuelas sozialistischer Diktator Nicolás Maduro sprang Morales zur Seite: In Bolivien gebe es einen „Putschversuch imperialistischer Kräfte“, sagte er.
Nun soll eine Kommission der Organisation Amerikanischer Staaten mit einer Überprüfung der Stimmen beginnen – das könnte zwölf Tage dauern. Und auch dieses Vorhaben ist umstritten. Ein OAS-Koordinator trat als befangen zurück, er hatte Morales in der Vergangenheit kritisiert.
Nur technisch-juristische Bewertung
Die Opposition glaubt, dass Stimmzettel manipuliert wurden und verweist auf den Fund vorausgefüllter Stimmzettel. Sie fordert, die Wahl zu annullieren und ein Verbot einer erneuten Kandidatur von Morales. Der ruft die Demonstranten auf, Streik und Straßensperren bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses aufzuheben. Die OAS hatte schon im Vorfeld eine Stichwahl empfohlen, um die Lage zu beruhigen. Morales versprach, das Ergebnis der Überprüfung zu akzeptieren – keine politische, sondern eine technisch-juristische Bewertung der Kommission.