Kickl auf Stippvisite in Berlin: Die Krise im Nacken
Wahlverluste, ein gefallener Ex-Obmann, der via soziale Medien um sich schlägt, ein Comeback andeutet. In Berlin ist an diesem Dienstagmittag anfangs keine Rede von Heinz-Christian Strache. Herbert Kickl ist am Wort. Der FPÖ-Klubobmann sitzt in einem kleinen Konferenzraum der AfD-Fraktion im sechsten Stock; rundherum Journalisten und Kamerateams zusammengepfercht, die Veranstaltung wirkt dadurch größer. Kickl knetet seine Finger, bedankt sich bei seinen Gastgebern, den Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland, und geht zum Programm über: Kritik an der aktuellen Regierung, wo „die Dinge in die falsche Richtung laufen“; ebenso in der EU-Kommission. Enttäuscht zeigt er sich zudem von Innenminister Horst Seehofer (CSU). 2018 standen sie gemeinsam vor der Presse, hegten Pläne zur Flüchtlingspolitik.
Kontakte intensivieren
Nun ist Kickl wieder da. Nicht als Innenminister, sondern als eine Art Netzwerker. Man wolle die Kontakte intensivieren, sagt er. Es geht um Zusammenarbeit. Wie diese konkret aussehen mag, welche Themen abseits der bekannten Asyl- und Migrationsagenden infrage kommen, das lässt er offen. Man habe einen intensiven Tag vor sich, kündigt Kickl an, der am Abend noch einen Vortrag bei einer AfD-nahen Stiftung halten wird.Ganz entkommt er den Niederungen der österreichischen Politik dann nicht. Gefragt nach dem Ex-FPÖ-Chef erklärt er, dass er ihm nahe gelegt habe, sich in eine Ecke zu stellen und zu schämen. Doch dieser habe einen anderen Weg eingeschlagen, sagt er mit Blick auf dessen mögliches Comeback mit der „Allianz für Österreich“ (DAÖ) bei der kommenden Wien-Wahl. Ähnliche Versuche seien bisher „allesamt fulminant gescheitert“. Zu einer möglichen Parteigründung von Strache, den die AfD-Spitze Weidel und Gauland noch im Mai besucht hat, antwortet Gauland zurückhaltend: „Die neue Parteigründung hat mit uns nichts zu tun. Wir werden den Weg des Herrn Strache nicht begleiten.“
Ähnliche Probleme
In der AfD hat man mit Austritten Erfahrung: Die frühere Parteichefin und AfD-Mitgründerin Frauke Petry verlor einen internen Machtkampf, trat medienwirksam während einer Pressekonferenz aus der Partei und wollte sich mit den „Blauen“ selbstständig machen: ohne Erfolg. Dazu kam ein Rechtsstreit.
Abgesehen davon hat die AfD mit internen Querelen zu kämpfen, verliert Abgeordnete: Verena Hartmann ist die jüngste, die sich abgewandt hat. Ihre Begründung: Der rechte „Flügel“ vereinnahme die ganze Fraktion mit seinen Grabenkämpfen. Zu der von ihr angesprochenen Gruppe gehören Anhänger des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke, der Verfassungsschutz hat den Zusammenschluss als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Weidel und Gauland wehren die Anschuldigungen ab, hinter dem Abgang stecken private Gründe. Überhaupt gebe es keine Grabenkämpfe.
Vom „Freund aus Österreich“ will man jedenfalls lernen, etwa, „dass man in schwierigen Zeiten durchhalten müsse“, so Gauland. Mit neuen Themen kann die AfD nicht aufwarten; mit dem was in Deutschland gerade beschäftigt, tut sie sich schwer: Klima-, Umwelt- und Artenschutz. Eines ist ihnen gestern gelungen: Aufmerksamkeit zu erlangen. Und kalkulierte Provokation unterzubringen. Gauland: „Unsere Sprache und Geschichte hat uns lange Zeit nebeneinander und miteinander gesehen.“