Politik/Ausland

Schwarzenberg und Ehefrau wegen Vergangenheit attackiert

Gute Pointen, launige Anekdoten, höfliche Zurückhaltung, das war einmal: Im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf dominieren die Untergriffe – und wenige Tage vor der Stichwahl am Freitag und Samstag kommen die direkt von der Prager Burg. Livia Klausova, Ehefrau des scheidenden Staatschefs, attackiert offen Therese Schwarzenberg, Ehefrau des Präsidentschaftskandidaten. Sie wolle nicht, „dass nach mir eine Dame auf der Prager Burg einzieht, die lediglich Deutsch spricht.“ Tatsächlich beherrscht Therese, die ja aus dem österreichischen Hochadel stammt, Tschechisch nur lückenhaft.

Zu lange im Ausland

Doch die Attacke gegen Schwarzenbergs Frau richtet sich auch direkt gegen den Kandidaten. „Schwarzenberg ist kein tschechischer Politiker, er hat viel Zeit im Ausland verbracht“, machte Präsident Vaclav Klaus deutlich, dass er seinen möglichen Nachfolger für keinen echten Tschechen halte.

Alle Inhalte anzeigen

Und Ehefrau Livia setzte gleich noch eins drauf. Schwarzenbergs Gegenkandidat Milos Zeman habe „eine Beziehung zu Tschechien und zu den Leuten, die in diesem Land leben, in dem er sein Leben verbracht hat.“ Eine mehr als deutliche Anspielung auf Schwarzenbergs Jahre im Exil in Österreich.

Die Präsidenten-Familie komplett machte dann noch Präsidentensohn Vaclav Klaus junior, der Schwarzenberg wegen seiner offensichtlich schlechten Kenntnisse der tschechischen Hymne verspottete. Er treffe den Ton einfach nicht.

Alle Inhalte anzeigen

Doch der Präsidentensohn hatte sich vorher schon mit härteren Attacken in den Wahlkampf eingebracht. Er machte Therese Schwarzenbergs Vater und dessen Vergangenheit unter den Nazis zum Thema. Graf Hardegg war hochrangiger SS-Offizier. Darauf angesprochen, sagte Therese Schwarzenberg im KURIER- Interview, dass sie mit ihrem Vater über dieses Thema immer gestritten habe und deshalb sei auch das Verhältnis zwischen Vater und Ehemann immer gespannt gewesen.

Beneš-Dekrete

Attacken auf meine Frau sind ekelhaft“, konterte Schwarzenberg: „Es werden immer mehr Lügen und üble Unterstellungen veröffentlicht, ich will mich damit nicht sehr befassen.“

Doch nicht nur die SS-Vergangenheit des Schwiegervaters, auch eine eigene historisch heikle Bemerkung belastet den Kandidaten: Die Vertreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg – legitimiert durch die Dekrete des tschechischen Präsidenten Edvard Beneš – würden heute als Kriegsverbrechen gelten. Gegenkandidat Zeman schlachtet das seither als Attacke gegen den von den Tschechen als Nationalheld verehrten Beneš aus. Schwarzenberg, herrschte er diesen in einer TV-Debatte an, habe Beneš einen Kriegsverbrecher genannt: „Sie reden wie ein Sudetendeutscher.“

Entstehung

„Odsun“: Die Vertreibung der fast drei Millionen Deutschsprachigen nach 1945 wird in Tschechien offiziell als Abschiebung betitelt. Nach und während des Zweiten Weltkriegs wurden von der Exilregierung und der ersten Nachkriegsregierung insgesamt 143 Dekrete erlassen, um nach der Besetzung durch Nazi-Deutschland die Rechtsordnung wiederherzustellen. Benannt sind diese nach Staatspräsident Edvard Beneš (1884–1948). 1946 wurden die Erlässe in Gesetzestext gegossen.

Auswirkungen

Die heute als „Beneš-Dekrete“ bekannten Maßnahmen umfassen fünf Erlässe: Sie schufen die Voraussetzungen für die Ausweisung der deutschen Minderheit, die zum Teil seit Jahrhunderten in Böhmen und Mähren ansässig war. Die Enteignungen wurden als Vergeltung für die Zerschlagung der Tschechoslowakei durch Hitler-Deutschland gesehen. Die Dekrete basierten auf dem Prinzip der Kollektivschuld. Heute haben die Erlässe ihre Wirkung verloren, sind aber noch Teil der tschechischen Rechtsordnung.

Heute

Das Thema geistert immer wieder durch Tschechiens Politik und wird sehr emotional diskutiert. Prag weigerte sich stets, die Dekrete aufzuheben, vor allem aus Angst vor großen Entschädigungsforderungen. Im Rahmen der Gespräche zum EU-Beitritt erklärte das Parlament, dass die aus den Dekreten resultierenden Eigentumsverhältnisse „unantastbar“ seien. 2009 erzwang Präsident Klaus eine Ausnahmeregelung von der EU-Grundrechtecharta, die Entschädigungen erlaubt hätte.