Kanadische Indigene wollen Entschuldigung des Papstes
Im Vatikan haben am Montagvormittag die ersten Delegationen von Indigenen-Vertretern aus Kanada mit Papst Franziskus gesprochen. Nach Angaben der Kanadischen Bischofskonferenz sind insgesamt 32 Älteste der First Nations, Metis und Inuit, sowie Jugendliche und Menschen, die selbst Opfer von Missbrauch in früheren kirchlichen Schulen und Erziehungseinrichtungen geworden sind, nach Rom gekommen. Bis Freitag sind laut Kathpress mehrere private Begegnungen mit dem Papst geplant.
Mit den Indigenen-Vertretern befinden sich auch Familienangehörige und weitere Begleiter sowie sechs kanadische Bischöfe in dieser Woche im Vatikan. Eine zentrale Forderung der Ureinwohner ist eine Entschuldigung des Papstes für die in den vergangenen Jahren zutage getretenen Skandale um Misshandlungen, Missbrauch und katastrophale Zustände in früheren Schulen und Erziehungseinrichtungen in Kanada für Kinder indigener Familien. Dafür müsse Franziskus aber nach Kanada kommen, wie die Präsidentin des Metis National Council, Cassidy Caron, dem Sender CBC vor den Gesprächen im Vatikan sagte.
Die direkten Begegnungen mit dem Papst betrachten die Indigenenvertreter als "einen notwendigen Teil unserer gemeinsamen Heilung", sagte Natan Obed von der Gruppe der Inuit Tapiriit Kanatami. Dafür müsse sich die Kirche aber auch an der weiteren Aufarbeitung der Geschichte beteiligen und etwa den Zugang zu den Akten jener Gemeinschaften, die Internatsschulen betrieben haben, öffnen. "Das Wichtigste, was der Papst verstehen muss, ist, dass wir immer noch dabei sind, die Scherben aufzusammeln", sagte Obed mit Blick auf die anhaltenden Folgen der Ereignisse für die indigenen Gemeinschaften.
An den sogenannten Residential Schools (Internaten) sollten indigene Mädchen und Buben unterrichtet und im Auftrag des kanadischen Staates an die Gesellschaft und Kultur der christlichen europäischen Einwanderer angepasst werden. Rund drei Viertel der Einrichtungen wurden von kirchlichen Gemeinschaften betrieben. Insgesamt wurden im 19. und 20. Jahrhundert Schätzungen zufolge mehr als 150.000 Kinder indigener Mütter - oft zwangsweise - in den Heimen untergebracht. Die Kinder indigener Familien durften in den Residential Schools oft ihre Muttersprache nicht sprechen. Eine unbekannte Zahl von Kindern und Jugendlichen wurde körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht, viele starben an Krankheiten wie Tuberkulose, Masern und Grippe.
Eine nationale Wahrheitskommission sprach in einem Bericht 2015 von etwa 3.200 bestätigten Todesfälle in den Internaten, bei vielen wurde die Todesursache nicht erfasst. Weit verbreitete Praxis war, die Leichname der verstorbenen Schüler nicht in ihre Gemeinden zurückzuschicken. Seit Mai 2021 wurden auf den Arealen ehemaliger Heime per Bodenradaruntersuchungen mehrere Orte gefunden, an denen unmarkierte Gräber von mehr als 1.000 Kindern von Indigenen vermutet werden. Seither steht das Thema auch öffentlich im Fokus, in Kanada und international.
"Als Bischöfe Kanadas sind wir den Delegierten dankbar, dass sie uns auf dieser Reise begleiten, sowie Papst Franziskus für seine Aufmerksamkeit für ihr Leiden und sein ausgeprägtes Engagement für soziale Gerechtigkeit", sagte der Vorsitzende der Kanadischen Bischofskonferenz, Bischof Raymond Poisson, zum Beginn der nunmehrigen Treffen der Indigenen-Vertreter mit dem Papst. Kanadas Kirche hoffe darauf, dass "sowohl das anhaltende Trauma und das Erbe des Leidens, mit dem die indigenen Völker bis heute konfrontiert sind" bei den privaten Treffen mit dem Papst verdeutlicht werden können.
Auch "die Rolle der katholischen Kirche im Internatssystem, das dazu beigetragen hat, dass die indigenen Sprachen, Kultur und Spiritualität nicht weitergegeben wurden", werde zur Sprache kommen. Die römisch-katholische Kirche in Kanada bat im September um Entschuldigung für das Leid, das durch die Beteiligung der Kirche am früheren Internatssystem verursacht wurde. Eine der Maßnahmen im Rahmen der Aufarbeitung ist ein von den kanadischen Diözesen dotierter Fonds, der Projekte für indigene Opfer von Missbrauch unterstützen soll.