Politik/Ausland

Junge Frauen drängen auf Reformen

Diese Woche markiert eine Zäsur in der Geschichte Saudi-Arabiens. Erstmals wurde ein Shura-Rat vereidigt – eine Art Parlament mit beratender Funktion –, dem auch 30 Frauen angehören. Das in einem Land, in dem die weibliche Bevölkerung de facto keine Rechte hat. Sie hat keinen Zugang zu vielen Berufen, die Eröffnung eines Bankkontos geht nicht ohne Ehemann, Autofahren ist tabu.

Die Reform geht auf eine Initiative von König Abdullah zurück, der offiziell 89 Jahre alt ist, aber in Wahrheit schon weit in den 90ern sein soll, wie Regierungsvertreter dem KURIER jüngst in der Hauptstadt Riad bestätigten. Der gesundheitlich angeschlagene Monarch steht für eine sanfte Liberalisierung und hat die 20-prozentige Frauenquote im Shura-Rat gegen den Widerstand der Geistlichkeit durchgesetzt, die für die extrem rigide Auslegung des Koran in Saudi-Arabien verantwortlich ist.

Denn den Herrschenden ist mittlerweile klar, dass der Wandel nicht aufzuhalten ist. Sie wissen aber auch, dass er behutsam erfolgen muss – ist doch die Mehrheit weiterhin konservativ geprägt. Aber durch Internet und Social Media steht der städtischen Bevölkerung die Welt offen.

Vor allem junge Frauen drängen auf Reformen. Viele sind top ausgebildet. Derzeit studieren 130.000 bis 140.000 von ihnen im Ausland. Zurück in der Heimat, finden sie sich oftmals im „goldenen Käfig“ – zur Untätigkeit verdammt. Was die Frauen-Frage anbelangt, sagt ein westlicher Diplomat zum KURIER: „Die Saudis sitzen auf einem Druckkochtopf-Deckel, der sich hebt.“

Rütteln an Tabus

Die Al-Faisal-Universität in Riad. Die neue, hypermoderne Hochschule ist die einzige im Land, an der Frauen und Männer gemeinsam unterwiesen werden. Zwar stockweise voneinander getrennt und in Vorlesungssälen durch Milchglasscheiben, aber immerhin. Im ersten Jahrgang Medizin gibt es gleich viele weibliche wie männliche Studenten. Der Grund des hohen Frauenanteils: Der Arztberuf ist neben einigen wenigen anderen (Bankfrau, Lehrerin etc.) auch Frauen zugänglich.

Allesamt präsentieren sich die Frauen äußerst zielstrebig und selbstbewusst – und sie rütteln an Tabus: „Wir sollten keine Angst vor Veränderungen haben“, sagt eine, deren schwarze Ganzkörper-Verhüllung nur einen schmalen Schlitz bei den Augen freilässt. Sie würde gerne selbst Auto fahren, dann müsste sie sich nicht immer mit ihren zwei Schwestern streiten, wer gerade den Fahrer haben kann für Shopping-Touren. Allerdings, führt die Frau weiter aus und checkt dabei ihr Smartphone, „diese Veränderungen müssen im Einklang mit unserer Religion stehen“ – zu dem Gespräch mit westlichen Journalisten in der österreichischen Botschaft war sie nur unter der Bedingung bereit, dass kein Alkohol getrunken werde.