Jeder 2. Deutsche rechnet mit AfD-Regierungsbeteiligung bis 2030
Von Walter Friedl
Der „Sündenfall“ von Thüringen, wie viele Kommentatoren die Tatsache werten, dass in dem ostdeutschen Bundesland erstmals ein Ministerpräsident mit den Stimmen der AfD gewählt wurde, könnte tatsächlich den befürchteten Dammbruch darstellen. Denn wie die jüngste Umfrage des Instituts YouGov (7. und 9. Februar) darlegt, rechnen 48 Prozent der Deutschen damit, dass die rechtsextreme „Alternative für Deutschland“ in den kommenden zehn Jahren an einer Landesregierung oder sogar Bundesregierung beteiligt sein wird. Nur 29 Prozent glauben das nicht.
Mehr als ein Viertel (26 Prozent) fände es sogar in Ordnung, wenn die AfD auf Landesebene in Regierungsverantwortung sei, jeder Fünfte (19 Prozent) hätte auch kein Problem damit, wenn die Partei in Berlin mitregierte.
Die AfD selbst, die mit ihrer Wahl des thüringischen FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich am 5. Februar – gemeinsam mit der CDU – die Krise losgetreten hat, treibt indes die CDU vor sich her. Nicht nur, dass deren bisherige Chefin, Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), am Montag alles hinschmiss – weil ihre thüringischen Kollegen die Gefolgschaft verwehrt hatten. Nun will die AfD CDU-Kanzlerin Angela Merkel gleich mit zwei Klagen eindecken.
Zum einen wegen „Nötigung des Ministerpräsidenten“, weil die Regierungschefin nach der Kür Kemmerichs (mittlerweile ist er zurückgetreten) gefordert hatte, die Entscheidung müsse rückgängig gemacht werden. Und weil Merkel diese Aussage während ihrer Südafrika-Reise getätigt hat, habe sie in ihrer Funktion als deutsche Kanzlerin gesprochen. Für die AfD sei dies ein „klarer Fall von Amtsmissbrauch mit Verletzung der Chancengleichheit von Parteien“. Juristen halten die Anzeigen allerdings für aussichtslos.
Nach der überraschenden Rückzugsankündigung Kramp-Karrenbauers ist die CDU jedenfalls um Schadensbegrenzung bemüht. Trotz aller unterschiedlicher Strömungen scheint aber über einen Punkt Einigkeit zu herrschen: Der von AKK angepeilte Zeitraum für die neue personelle Ausrichtung ist vielen zu lange. Die scheidende CDU-Chefin wollte die neue Spitze, die dann auch für das Kanzleramt kandidieren soll, erst am Parteitag im Dezember bestellen. „Die CDU kann es sich nicht leisten, die Führungsfrage bis zum Jahresende offenzuhalten. Vor der Sommerpause sollte Klarheit herrschen“, sagte dagegen Christian Baldauf von der rheinland-pfälzischen CDU stellvertretend für viele.
"Krisenhafte Situation"
Da nach der SPD nun auch die Konservativen in einer veritablen Krise stecken, sprach Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von einer „krisenhaften Situation“ in Deutschland.