Obamas heikle Mission im Nahost-Minenfeld
Von Norbert Jessen
Frisch vereidigt wird Israels neue Regierung bereits heute, Mittwoch, ihren wichtigsten Verbündeten, US-Präsident Barack Obama, in Jerusalem empfangen. Im Programm aber ist die Visite ein knallharter Arbeitsbesuch. Das neue Kabinett kündigte politische und soziale Reformen an. Obama will „als Zuhörer und ohne Druck“, dass alte Schwerpunkte nicht vom Tisch fallen: Verhandlungen mit den Palästinensern, Irans Atomprogramm und Syrien.
Bei den Palästinensern
Obama und Israels Premier Benjamin Netanyahu beginnen beide eine neue Amtszeit. „Die Erfahrung zeigt, wer zu diesem Zeitpunkt aussät, erntet die besten Früchte“, so die Zeitung Hayom. Mehr als sonst besteht Netanyahus neue Mannschaft aus Zivilisten. Es sitzen aber auch deutlich mehr Siedler in diesem Kabinett. Ein innerer Konflikt zeichnet sich ab: Reformen wie Siedlungen kosten. Experten warnen: „Für beide Bereiche wird das Geld nicht reichen.“
Darum wollen der rechte Naftali Bennett und der liberale Yair Lapid jene Reformschritte nach vorne ziehen, über die sie sich einig sind. Ihr Bündnis entstand in den Koalitionsverhandlungen. Gegen alle Erwartungen und auch gegen Netanyahu.
Proteste und Kuchen vor Israel-Trip
Am Donnerstag ist Obama auch bei den Palästinensern angesagt. Im Gegensatz zur neuen Regierung Israels will Präsident Mahmud Abbas das Thema Siedlungen nicht an den Rand drängen. Ohne sichtbaren politischen Fortschritt ist seine ohnehin geschwächte Stellung gefährdet. Für ihn heißt sichtbar: Siedlungsbaustopp. Obama will diesmal diese Maßnahme nicht erzwingen. Er setzt auf eine eigene Initiative Netanyahus. Der Widerstand der Siedler in der Regierung ist veränderbar: Ohne Verhandlungen droht neue Gewalt in den besetzten Gebieten. Mit seiner Hamas-Opposition in Gaza kann Abbas ohnehin kaum echte Angebote auf den Tisch bringen. Netanyahus rechter Flügel wird sich also nicht so bald zu echten Zugeständnissen gefordert sehen. „Möglich sind nur Verhandlungen, um der Verhandlungen willen“, so die israelische Zeitung Maariv, „und reden ist allemal besser als Gewalt.“
Die droht auch im Norden Israels. Am Dienstag fielen vier Raketen aus Syrien gezielt auf ein libanesisches Grenzdorf. Dorthin hatten sich libanesische Hisbollah-Kämpfer geflüchtet, die in Syrien an der Seite Präsident Assads kämpfen. 40 im Libanon gefallene Kämpfer begrub die Hisbollah letzte Woche in aller Stille. Eine Zuspitzung, zu der die Regierung in Beirut schweigt. Vor der Washington aber laut warnt. Israel will sich so weit wie möglich raushalten. Doch ist in Syrien auch der gemeinsame Erzfeind mit dabei. Iranische Revolutionsgardisten kämpfen gegen die Aufständischen.
Obama aber geht es um mehr: Er reist persönlich an, die Herzen der Israelis zu erobern. Letztlich geht es um die Verhinderung einer iranischen Atommacht. Der US-Präsident will mehr Zeit für Sanktionen gegen den Iran. Ohne Vertrauen der israelischen Wähler wird dies schwer. Obama gab an, der Iran werde noch ein Jahr brauchen, um tatsächlich eine Bombe zu bekommen. Für diese Zeit erwartet er geduldiges Abwarten von den Israelis.