Endspurt um Ahmadinejad-Nachfolge
Ayatollah Seyed Ali Khamenei dürfte der anstehenden Präsidentschaftswahl in seiner Heimat Iran eher gelassen entgegen sehen. Denn der oberste geistliche Führer hat in allen Belangen das letzte Wort. Formell ist zwar das Präsidentenamt das höchste der Exekutive, in der Praxis werden die Vollmachten des Staatschefs allerdings von der schiitischen Elite und deren Oberstem Geistlichen Führer kontrolliert. Letzterer hat diese Funktion seit dem Tod von Revolutionsvater Ruhollah Khomeini 1989 inne. Khamenei und nicht der Präsident ist der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte. Der Oberste Führer trifft zudem die wichtigsten Entscheidungen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
Bis zu einem gewissen Grad hält Khamenei auch die Wahlfäden "selbst" in der Hand, zumal der ihm wohlgesonnene Wächterrat die vergangenen vier Wochen damit zugebracht hat, aus 686 Bewerbern acht Kandidaten für die eigentliche Wahl zuzulassen. So konnte vermieden werden, dass allzu "unliebsame" Bewerber - wie etwa Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani und der Ahmadinejad-Vertraute Esfandiar Rahim Mashaei - es überhaupt auf den Stimmzettel und damit in den eigentlichen Wahlkampf schaffen.
Da Noch-Präsident Ahmadinejad bereits zwei Amtszeiten hinter sich hat, durfte er keinen neuen Zulassungsantrag stellen - hier die acht Kandidaten, die um die Wählergunst rittern:
Verstärkte Kontrolle
Eine Woche vor der Wahl startete das Regime seine sogenannte "Großoffensive zur Einhaltung des Reglements" - eine Vorsorgemaßnahme, zumal die Lage nach der letzten Präsidentschaftswahl mancherorts dramatisch eskaliert war.
In mehreren Großstädten, allen voran Isfahan, Shiraz und Teheran, wird wieder verstärkt darauf geachtet, ob die islamischen Sittenregeln eingehalten werden. Zudem wurde das Internet im gesamten schiitischen Gottesstaat verlangsamt und Besitzer von Internetcafés angewiesen, Protokolle über besuchte Websites der Besucher an die Zensurbehörde abzuliefern.
Kritik eines Kandidaten an der Maßnahme kam dabei lediglich von Mohammed Resa Aref: "Zeitungen verbieten, die Veröffentlichung eines Buches oder die Vorführung eines Films verbieten - solche Dinge müssen korrigiert werden", forderte der einzige Reformer unter den Bewerbern in einer Fernsehdebatte am vergangenen Mittwoch. Sein ebenfalls gemäßigter Konkurrent Hassan Ruhani äußerte sich dagegen ein wenig zurückhaltender und hielt fest, wenn der Kampf gegen Korruption gelingen solle, "dann brauchen wir die Freiheit der Presse und der Medien".
Mit eiserner Hand
Bei allem Fokus auf den "Gottesstaat" wird oft vergessen, dass seit dem Sturz des Schahs vor allem das Militär für "Recht und Ordnung" sorgt. Das iranische Militär setzt vor allem in Zeiten von wichtigen Wahlen, wo es in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Unruhen und Unzufriedenheit der Bevölkerung gegeben hat, die Machtansprüche und die soziale "Ordnung" der Hardliner und der ultrakonservativen Geistlichkeit rund um Khamenei durch.
Die Revolutionsgarden sitzen mittlerweile an den Hebeln der wichtigsten Schlüsselpositionen in der Islamischen Republik. Wichtige politische Posten werden im Ölsektor, der Schlagader der iranischen Wirtschaft, von Militärs besetzt. Analysten zeichnen deswegen auch oft ein Bild des Iran, der nicht nur Gottesstaat, sondern auch ein "Militärstaat" ist.
Im schiitischen Gottesstaat ist das Militär auf drei Säulen aufgebaut. Die Revolutionswächter ("Sepahe Pasdaran" - siehe nächster Abschnitt), die paramilitärischen Bassijmilizen und die Revolutionsgarden (der regulären Armee). De facto steht der gesamte militärische Apparat unter dem Oberbefehl Khameneis. Doch seit dem Amtsantritt von Ahmadinejad 2005 haben die Streitkräfte immer mehr Einfluss im politischen Alltag erworben.
Wer sind nun diese "Sepahe Pasdaran", die sich zunehmend zu einer bestimmenden politischen, militärischen, aber auch wirtschaftlichen Kraft im Machtgefüge des Gottesstaates entwickeln? Sie wurden 1980 gegründet und sollten als Alternative zur regulären Armee, die im Zuge der Revolution zusammengebrochen war, die Verteidigung des Landes übernehmen.
Die neu gegründete Eliteorganisation formierte sich insbesondere im irakisch-iranischen Krieg allmählich zu einer schlagkräftigen Armee, baute alle Militärgattungen aus und übertrumpfte bald die vom alten Regime übernommene reguläre Armee, die Jahre lang von der Staatsführung wie ein Stiefkind behandelt wurde.
Diese Stärke verlieh den Pasdaran die Möglichkeit, politisch Einfluss zu nehmen und wirtschaftlich Fuß zu fassen. Schon bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen 2005 und 2009 war die Einmischung der Revolutionswächter in die Wahl nicht zu übersehen.
Einmischung verboten
Und das, obwohl der Revolutionsvater Ayatollah Ruhollah Khomeini eine Einmischung der Militärs in die Politik stets untersagt hatte. Die aktiven Verbände der militärischen Komponenten umfassen derzeit schätzungsweise rund 700.000 Mann, die Reserve rund 450.000. Neben der Landesverteidigung erfüllt das Militär auch eine innenpolitische Rolle, die Sicherung der Staatsform und -regierung sowie der geistlichen Führungselite.
Die Militärstrategie umfasst mehrere Komponenten. Auf ideologischer Ebene spielt die Islamische Revolution von 1979 eine entscheidende Rolle. Neben dem Verteidigungsgedanken steht hier vor allem der Fokus auf die "Überprüfung der Einhaltung der Islamischen Gesetze und Richtlinien".
Der Iran versteht sich gemäß seiner theokratischen Staatsform als das einzige Land, in dem ein auf den Islam ausgerichtetes religiöses und staatliches Gemeinwesen vollständig verwirklicht wurde.