Politik/Ausland

„Ich binde die Hände der nächsten zehn Regierungen“

Was ist nur in Ungarn los? In Österreichs lange Zeit liebstem Nachbarland, aus dem seit der Machtübernahme Viktor Orbans und seiner rechts-nationalen FIDESZ stakkatoartig schlechte Nachrichten kommen: Umstrittene Verfassungsänderungen, rigorose Bankensteuern, Übergriffsversuche auf die Justiz, ein dubioses Mediengesetz, ständige Konfrontationen mit der Europäischen Union.

Die beiden ORF-Journalisten Ernst Gelegs und Roland Adrowitzer spürten den Entwicklungen in Ungarn nach und bieten mit ihrem neuen Buch „Schöne Grüße aus dem Orban-Land“ einen detailreichen Überblick über die von der Orban-Regierung durchgezogenen Maßnahmen. Diese zielen darauf ab, so das Fazit des langjährigen Budapest-Korrespondenten Gelegs, „Viktor Orbans Politik in Stein zu meißeln“.

Verfassungsrang

Selbst relativ unbedeutende Gesetze werden dank der Zwei-Drittel-Mehrheit der FIDESZ im Parlament in den Verfassungsrang gehoben. Mit dem Ziel, wie Orban im Buch mehrmals zitiert wird: „Ich binde die Hände der nächsten zehn Regierungen.“ Auch seine eigenen dürfte der Premier damit binden. Denn selbst wenn nach den Wahlen im April auch der nächste ungarische Regierungschef höchstwahrscheinlich wieder Viktor Orban heißen dürfte, wird er wohl von seiner jetzigen Zwei-Drittel-Mehrheit weit entfernt sein, mutmaßt Ernst Gelegs im KURIER-Gespräch.

Das Ungarn von heute, so zeigt das Buch mit einer gelungenen Mischung aus Fakten, persönlichen Erlebnissen und Anekdoten, ist ein anderes Land, als es vor dem Machtantritt der FIDESZ war – es ist Orban-Land. Wo Kritik geradezu als „Vaterlandsverrat“ gilt, und wo die vermeintliche Law-and-order-Politik überwiegend der eigenen FIDESZ-Klientel zugute kommt.

Lage verschlechtert

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Orbans offene Flanke bleibt nach Meinung der zwei Buchautoren seine erratische Wirtschaftspolitik. Verschreckte Investoren halten sich zurück, der dringend notwendige Wirtschaftsschub für Ungarn kommt nicht und nicht voran. Weil sich die finanziell schwierige Lage vieler Ungarn zuletzt nur noch weiter verschlechterte, hat Orban auch unter seinen Anhängern an Stimmen eingebüßt. Doch für die meisten von ihnen, so Ernst Gelegs, gibt es zu Viktor Orban und zu seiner nationalistischen Politik keine Alternative: „Für sie ist Orban einer, der auf den Tisch haut und sich nicht alles gefallen lässt.“

Buchtipp: Roland Adrowitzer, Ernst Gelegs: Schöne Grüße aus dem Orban-Land. Styria-Premium. Euro 24,99