Politik/Ausland

Putin könnte G20-Treffen vorzeitig verlassen

Der Gipfel der 20 führenden Industrie-und Schwellenländer in Brisbane stand schon vor seinem Beginn im Licht des Konflikts in der Ukraine. Jetzt hat er seinen ersten kleinen Eklat - mitsamt anschließender Verwirrung.

Auslöser dafür war die anhaltende Kritik an Wladimir Putins Ukraine-Politik. Australiens Premier Tony Abbott etwa forderte von ihm eine Entschuldigung für den Absturz der Passagiermaschine MH17, er machte Moskau damit direkt für den Tod von 298 Menschen verantwortlich, darunter 38 Australier. Auch US-Präsident Barack Obama nutzte eine Rede am Rande des Gipfels dafür, um die "russische Aggression" in der Ukraine zu kritisieren. Sie sei eine "Bedrohung für die Welt", so Obama. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte zudem, der Ukraine-Konflikt sei eine Krise "wie im Kalten Krieg", sie bedrohe den Weltfrieden und die Wirtschaft.

Abreise-Drohung

Darauf folgte eine harsche Reaktion: Putin werde, so verlautete es aus seiner Delegation, wegen des Streits mit dem Westen vorzeitig aus Australien anbreisen. Der Kremlchef wolle am offiziellen Arbeitsessen in Brisbane am Sonntag nicht mehr teilnehmen und sich schon zuvor vor Journalisten äußern. "Mittagessen ist eher eine Form des Entertainment", fügte das Delegationsmitglied hinzu. Nur kurze Zeit später kam dann die Meldung aus dem Kreml, dass nun alles doch nicht so sei: Der Kreml-Sprecher dementierte via russischer Nachrichtenagenturen die Berichte einer vorzeitigen Abreise Putins. Ob Putin nun bleibt oder abreist, ist also offen.

"Wir sind nicht involviert"


Ein Einlenken Putins ist nicht zu erwarten. Zuvor hatte sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Putin am Rande des Gipfels zu einem Gespräch unter vier Augen getroffen, das Merkel folgendermaßen beschrieb: "Ich verspreche mir jetzt keine qualitativen plötzlichen Veränderungen." Sie glaube nicht, dass es eine Annäherung an Putin geben wird und betonte, die Situation sei nicht zufriedenstellend.

Putin streitet auch nach wie vor jede Beteiligung Russlands an dem Konflikt ab. Auch beim G20-Gipfel sagte ein Sprecher des Kreml erneut: "Wir sind nicht involviert." Man wies Darstellungen zurück, sie trage die Verantwortung an der jüngsten militärischen Eskalation im Osten der Ukraine und unterstütze die prorussischen Separatisten mit Waffen.

Putin und der britische Premierminister David Cameron sprachen am Rande des G-20-Gipfels über eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. Bei einem Treffen hinter verschlossenen Türen hätten beide ihr Interesse an einer Wiederbelebung der Verbindungen bekundet, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Samstag russischen Nachrichtenagenturen. Auch seien beide daran interessiert, "wirksame Maßnahmen zur Lösung der Ukraine-Krise" zu ergreifen. Dadurch solle auch das "konfrontative Klima" entschärft werden.

Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen befinden sich angesichts des Konflikts in der Ukraine auf dem tiefsten Punkt seit dem Ende des Kalten Krieges.

MH17: Russland gibt Ukraine Schuld

In Russland selbst macht indessen wieder jene Theorie die Runde, wonach das Flugzeug nicht von den Separatisten, sondern von einem ukrainischen Jet abgeschossen worden sei. Das Staatsfernsehen zeigte pünktlich zum G-20-Gipfel angebliche Satellitenaufnahmen von einem Kampfjet des Typs MiG-29, der in der Nähe der Boeing-777 am 17. Juli geflogen sei und eine Rakete abgefeuert habe. Das Foto stamme vermutlich von einem britischen oder US-Spionagesatelliten, sagte der erste Vize-Präsident der Russischen Vereinigung der Ingenieure, Iwan Andrijewski, in dem Bericht.
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Experten behaupteten in der Sendung zwar, dass die Aufnahme echt sei, Beweise gab es allerdings nicht; auch die Ermittler der Untersuchungskommission in den Niederlanden hatten bisher keinerlei Hinweise auf ein anderes Flugzeug. Der Hauptverdacht richtet sich nach wie vor gegen die prorussischen Separatisten, die mit einer Rakete vom Boden aus die Maschine abgeschossen haben könnten.

Wirtschaft im Fokus

Beim Gipfel dreht sich aber eigentlich alles um andere Schwerpunkte - Australien will als Gastgeberland den Schwerpunkt des Treffens eigentlich nicht von politischen Krisen dominieren lassen. Regierungschef Tony Abbott sagte vor dem offiziellen Beginn der Konferenz, er würde es gern sehen, "wenn bei unserer Diskussion hier der Fokus auf Fragen der wirtschaftlichen Reformen liegen würde". Am Ende sei es aber natürlich Sache der Teilnehmer, welche Fragen sie auf den Tisch bringen und zur Diskussion stellen.

Die 20 Staats- und Regierungschefs, die von 6000 Polizisten bewacht werden, beraten noch bis Sonntag vor allem über Wirtschaftsfragen, aber auch der Kampf gegen die Ebola-Epidemie und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kommen zur Sprache. Auch das viel kritisierte TTIP-Abkommen wird Thema sein: Vertreter der EU-Kommission und die europäischen Regierungschefs treffen sich am Sonntag mit US-Präsident Obama, um über das Freihandelsabkommen zu reden.

UKRAINE: Die Europäische Union droht Russland im Ukraine-Konflikt mit neuen Strafmaßnahmen. Europas Staats- und Regierungschefs wollen sich am Sonntag mit US-Präsident Barack treffen und das weitere Vorgehen abstimmen. Das sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Er forderte die russische Führung um Präsident Wladimir Putin auf, aus Russland Waffenlieferungen und Verstärkung für die Separatisten in der Ostukraine zu unterbinden. Putin hat bisher eine Beteiligung Russlands an dem Konflikt abgestritten. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte, dies sei eine Krise wie im Kalten Krieg im Herzen Europas, die den Weltfrieden und die Wirtschaft bedrohe. Auch US-Präsident Barack Obama betonte, die "russische Aggression" in dem Land sei eine "Bedrohung für die Welt".

KLIMASCHUTZ: Die USA wollen drei Milliarden Dollar für den Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen. Die umgerechnet 2,4 Milliarden Euro fließen in den grünen Klimafonds der Vereinten Nationen. Das teilte die US-Regierung in Brisbane mit. Der Fonds will armen Staaten beim Aufbau einer klimafreundlicheren Industrie helfen. Auch Japan will Medienberichten zufolge insgesamt 1,5 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Lob für China und die USA kam vom UN-Generalsekretär. Beide Länder hätten in der vergangenen Woche eine Klimavereinbarung mit sehr ehrgeizigen Zielen getroffen. Ban Ki-moon forderte auch die anderen G-20-Staaten zu mehr Anstrengungen auf, damit Ende 2015 ein Abkommen zum Klimawandel in Paris vereinbart werden kann.

EBOLA: Angesichts der immer noch in Westafrika wütenden Epidemie rief Ban Ki-moon zu einer Mobilmachung aller Kräfte auf. Es gehe um Finanzmittel, Logistik und die Behandlung der Patienten, die sich mit dem meist tödlichen Virus infiziert haben.

HANDEL: Ein europäisch-amerikanisches Spitzentreffen soll die Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen voranbringen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, Obama werde mit seinen EU-Kollegen am Sonntag über den Stand der Dinge sprechen. Juncker versprach, Europa werde bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TTIP ("Transatlantic Trade and Investment Partnership") keine seiner Standards bei Gesundheit, Sozialem und Lebensmitteln opfern.

Die deutsche Bundeskanzlerin – alias "Tante Angela" – wurde in Brisbane gefeiert wie ein Star: Merkel posierte nach ihrer Ankunft vor einigen Pubs und schoss mit Fans und Schaulustigen Selfies. Die Aufnahmen verbreiteten sich schnellstens über die sozialen Netzwerke.

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Nicht nur sie war beliebtes Fotomotiv: Die Organisatoren des Gipfels haben zur Unterhaltung einen Koalabär ins Pressezentrum geschafft; Selfies von Reportern mit dem Tier machten ebenso die Runde.

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Auch die First Ladies der anwesenden Staats- und Regierungschefs (wie hier Peng Liyuan – die Frau des chinesischen Präsidenten), hatten ihre Freude mit den possierlichen Tierchen – sie besuchten ein Koalazentrum.

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