Politik/Ausland

Ein Luftangriff und dann? Assad sitzt in Syrien fest im Sattel

Der US-Luftangriff gegen die syrischen Regierungskräfte ändert die Lage im Bürgerkrieg. Bashar al-Assad muss wieder mit einer scharfen Reaktion des Westens rechnen. Doch sein Sturz bleibt unwahrscheinlich.

Die Stimme des syrischen Generals dröhnt, als er im Staatsfernsehen die Erklärung der Armeeführung verliest. Den Rücken hält er aufrecht wie ein Brett, seine Arme stützt er fest auf das Rednerpult. Auch mit seiner Körperhaltung will der Mann in Uniform deutlich machen: Die Führung in Damaskus ist nach dem US-Angriff auf einen syrischen Militärflugplatz fest entschlossen, dem Gegner die Stirn zu bieten. "Diese Aggression bestätigt, dass die Amerikaner ihre falsche Strategie fortsetzen und die Bekämpfung des Terrorismus vonseiten der syrischen Armee untergraben", donnert der General.

Hintergrund: Die Herrschaft der Assad-Familie in Syrien

Die fast 60 "Tomahawk"-Marschflugkörper, die die USA am frühen Freitagmorgen abschossen, haben die Lage im syrischen Bürgerkrieg mit einem Schlag geändert. Seit Monaten gab vor allem Russland als wichtigster Unterstützer der Regierung von Präsident Bashar al-Assad den Ton in dem Konflikt an. Den USA - und Europa - blieb nur noch die Rolle als Zaungast, politisch und militärisch mit wenig Einfluss.

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Russland und Syriens Regierungskräfte, die auch vom schiitischen Iran massiv unterstützt werden, konnten nicht zuletzt deswegen frei schalten und walten, weil sie mit keinerlei militärischer Reaktion der USA rechnen mussten. Seit langem schon greift die syrische Luftwaffe Zivilisten mit international geächteten Fassbomben an. UN-Ermittler bestätigten, dass in Rebellengebieten gezielt Kliniken bombardiert wurden und die Regierung mehrfach Chlorgas einsetzte. Doch der Westen beschränkte sich bisher auf scharfe Kritik.

Seit dem Angriff am Freitagmorgen ist diese Vorhersehbarkeit der US-Reaktion nicht mehr gegeben, weder für Syriens autokratische Führung noch für Russland. Von jetzt an muss die Regierung in Damaskus mit Angriffen der Amerikaner rechnen, sollte sie nach US-Lesart weitere massive Verstöße begehen.

Die Botschaft laute, dass "die Vereinigten Staaten nicht weiter untätig zusehen werden, während Assad, mit tatkräftiger Unterstützung von Putins Russland, mit chemischen Waffen und Fassbomben unschuldige Syrer abschlachtet", jubelt der US-Republikaner John McCain. Das allerdings setzt voraus, dass US-Präsident Donald Trump auch künftig Vergeltung anordnet, etwa wenn gezielt eine Klinik bombardiert wird.

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So könnte sogar die Blockade der Genfer Friedensgespräche wieder gelöst werden, bei denen sich die Vertreter der syrischen Regierung bisher wenig geneigt zeigten, ernsthaft zu verhandeln. Schließlich sitzt Assad aufgrund russischer und iranischer Unterstützung und seit wichtigen militärischen Erfolgen derzeit wieder fest im Sattel. Im besten Fall könnte der Militärschlag der Diplomatie den Weg öffnen.

Doch es zeichnen sich auch gegenteilige Szenarien ab, schließlich spielt Trump mit dem Feuer. Die Militärintervention verschärft die Konfrontation mit Russland, das in Syrien selbst Truppen im Einsatz hat. Hier kann eine Dynamik entstehen, die nicht mehr zu kontrollieren ist. Ein Zusammenstoß mit Moskaus Kräften eingeschlossen.

Hat US-Regierung eine längerfristige Strategie für Syrien?

Eine entscheidende Frage lautet: Hat die US-Regierung eine längerfristige Strategie für Syrien? Falls ja, dann war sie bisher nicht zu erkennen. US-Außenminister Rex Tillerson erklärte zwar am Donnerstag noch vor dem "Tomahawk"-Angriff, Washington wolle eine internationale Koalition zur Ablösung Assads bilden. Doch wie der Sturz verwirklicht werden sollte, ist bis dato völlig unklar. Daran beißen sich der Westen und andere Assad-Gegner seit Jahren die Zähne aus.

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Realistisch ist ein Abgang des Präsidenten nicht, solange Russland und Iran ihm die Treue halten. Mit Luftangriffen der USA allein wird sich Assad nicht stürzen lassen. Bodentruppen aber, die der syrischen Regierung mit Hilfe Washingtons gefährlich werden könnten, gibt es praktisch nicht. Die moderateren Kräfte, die als Partner infrage kämen, sind im Bürgerkrieg längst ins Hintertreffen geraten.

Selbst in vielen Gebieten, die noch von oppositionellen Kräften kontrolliert werden, haben mittlerweile radikale Milizen das Kommando übernommen. Bliebe eine breite amerikanische Militärintervention am Boden wie 2003 im Irak. Doch die Folgen wären unkalkulierbar.

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Sollten Trumps Drohungen und dem Luftangriff keine weiteren Schritte folgen, laufen die USA sogar Gefahr, wieder als machtlos entlarvt zu werden. Russland dürfte sich nach dem Bombardement noch enger an Assad binden, will sich Moskau in dem Konflikt von Washington nicht düpieren lassen und seinen starken Einfluss bewahren. Am Ende könnte Assad sogar profitieren.

Assad-Regime nennt Angriff "dumm und unverantwortlich"

Der Einsatz könnte einen Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg markieren: Erstmals seit Beginn des Konflikts vor sechs Jahren haben die USA die Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Assad attackiert. Als Vergeltung für einen mutmaßlichen Giftgasangriff ließ US-Präsident Donald Trump in der Nacht auf Freitag eine syrische Luftwaffenbasis mit Raketen beschießen.

Russland verurteilte den Einsatz, während sich der Westen weitgehend hinter Trump stellte. Nach US-Regierungsangaben wurden 59 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk auf die Luftwaffenbasis Al-Shayrat in der Provinz Homs abgefeuert. Laut Trump handelt es sich um den Stützpunkt, von dem aus am Dienstag der mutmaßliche Giftgasangriff mit mindestens 86 Toten geflogen wurde. Washington macht Assad für die Attacke verantwortlich, auch die deutsche Regierung hält dies für "hochplausibel".

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Die US-Raketen wurden von zwei im östlichen Mittelmeer stationierten US-Kriegsschiffen abgefeuert. Im Visier waren Kampfjets, die Luftabwehr und andere Einrichtungen.

Die syrische Armee sprach von sechs Toten. Ob es sich um Zivilisten oder Soldaten handelte, blieb unklar. Laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana wurden in Dörfern rund um den Stützpunkt neun Zivilisten getötet, unter ihnen vier Kinder.

Nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, deren Angaben von unabhängiger Seite kaum überprüft werden können, wurde die Luftwaffenbasis bei dem Angriff fast vollständig zerstört.

Die Führung in Damaskus verurteilte den US-Angriff als "dumm und unverantwortlich". Das Verhalten der Vereinigten Staaten offenbare nur deren "Kurzsichtigkeit und politische und militärische Blindheit für die Realität", erklärte das Büro Assads.

Dessen Verbündete verurteilten das Vorgehen Washingtons. Die iranische Regierung beklagte das "einseitige militärische Vorgehen" der USA. Der Kreml erklärte, es handle sich um einen "Angriff gegen einen souveränen Staat". Präsident Wladimir Putin werte die Attacke als Verstoß gegen internationales Recht, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow. Der US-Angriff füge den Beziehungen zu Washington "beträchtlichen Schaden" zu.

Moskau setzte eine mit den USA geschlossene Vereinbarung aus, mit der Kollisionen im syrischen Luftraum verhindert werden sollten. Außerdem werde die Luftabwehr des syrischen Militärs ausgebaut, kündigte ein russischer Armeesprecher an.

Die russische Regierung forderte eine Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats zu Syrien. Das höchste UNO-Gremium hatte sich am Mittwoch mit dem mutmaßlichen Giftgasangriff befasst. Russland blockierte jedoch eine Resolution, die den Angriff verurteilt und eine Untersuchung verlangt. Die syrische Regierung bestreitet, Chemiewaffen eingesetzt zu haben.

Der Westen rechtfertigte den US-Militäreinsatz. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gab in einer gemeinsamen Erklärung mit Frankreichs Präsident Francois Hollande dem syrischen Machthaber Assad die "alleinige Verantwortung für diese Entwicklung". Ähnlich äußerte sich NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte, Washington habe mit der "nötigen Entschlossenheit auf die barbarischen Chemiewaffenangriffe" reagiert.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte dagegen: die "Anstrengungen, die Spirale der Gewalt in Syrien zum Stillstand zu bringen (...), sollten nochmals verdoppelt werden". Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) forderte eine politische Lösung. "Wir begreifen das militärische Eingreifen der USA gegen das Flugfeld als vorbeugende Maßnahme, um den zukünftigen Einsatz von Giftgas zu verhindern", sagte Kurz nach Angaben eines Sprechers gegenüber der APA. "Die Krise in Syrien bedarf letztlich aber einer politischen Lösung." Nach dem Giftgas-Einsatz erwarte sich Österreich,"dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen sich seiner Verantwortung entsprechend verhält, dass allfällige Gegenmaßnahmen beschlossen und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden. Wir bedauern, dass der Sicherheitsrat bisher nicht entsprechend reagiert hat."

Holland setzte sich für ein verstärktes internationales Vorgehen ein, "wenn möglich im Rahmen der Vereinten Nationen." Die Türkei verlangte eine umgehende Ablösung der Assad-Regierung und die Einrichtung einer Flugverbotszone. "Um ähnliche Massaker (wie in Khan Sheikhoun) zu verhindern, ist es notwendig, ohne weitere Verzögerungen eine Flugverbotszone durchzusetzen und Sicherheitszonen in Syrien zu schaffen", erklärte der türkische Präsidentensprecher Ibrahim Kalin.

Assads Gegner in Syrien verlangten weitere US-Angriffe auf die Regierungstruppen. "Einen einzigen Luftwaffenstützpunkt zu treffen, ist nicht genug, es gibt 26 Luftwaffenstützpunkte, von denen aus Zivilisten angegriffen werden", erklärte die Rebellengruppe Jaish al-Islam. Ähnlich äußerten sich andere Rebellenvertreter.

Das Weiße Haus betonte jedoch, der Raketenangriff habe der Abschreckung gedient und sei nicht der Beginn einer großangelegten Offensive zum Sturz Assads. Trump begründete den Angriff in einer kurzen Fernsehansprache an die US-Bürger damit, dass es im "grundlegenden nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten" liege, die Verbreitung von chemischen Waffen zu verhindern. Er appellierte an alle "zivilisierten Nationen", das Blutvergießen in Syrien zu stoppen.

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Der Militärflugplatz Al-Shairat ist nach dem nahegelegenen gleichnamigen Dorf in der zentralsyrischen Provinz Homs benannt. In der östlich der Luftwaffenbasis gelegenen Wüste bekämpfen syrische Regierungskräfte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). In Al-Shairat sollen nach US-Angaben die Kampfflugzeuge gestartet sein, die den mutmaßlichen Luftangriff mit Chemiewaffen flogen.

Dabei waren nach UN-Angaben am 4. April mindestens 84 Menschen getötet worden. Auf dem Flugplatz waren bisher syrische Jets des Typs MIG and Suchoi stationiert, wie militärische Quellen und Aktivisten berichten. Es heißt zudem, dort sei auch russisches und iranisches Personal stationiert gewesen, das Syriens Truppen unterstützt. Die Basis soll demnach auch mit Luftabwehr ausgestattet gewesen sein.

Der Flugplatz soll bei dem US-Angriff weitestgehend zerstört worden sein, darunter die beiden Start- und Landebahnen. "Die Basis ist nicht länger einsatzfähig", erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Syriens Führung wirft den USA vor, durch den Angriff den Kampf gegen die IS-Terrormiliz untergraben zu haben.

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