Politik/Ausland

Ein Jahr nach Nizza-Anschlag: "Ziel muss Sieg unserer westlichen Werte sein"

Genau ein Jahr nach der verheerenden Terrorattacke im französischen Nizza ortet Yossi Kuperwasser, israelischer Brigade-General mit langjähriger Geheimdiensterfahrung, in Europa nach wie vor gravierende Defizite in der Terrorbekämpfung. In Brüssel sprach der Anti-Terrorexperte im Rahmen einer Konferenz der "Europe Israel Press Association" mit dem KURIER über...

... den Kampf gegen den Terror als einen systematischen Prozess des Lernens:

Man muss das ganze System, in dem die Terror-Ereignisse stattfanden, vollkommen verstehen lernen. Für Israel als einem einzigen Staat ist es dabei viel leichter als für die Europäer. Wir setzen uns an einen Tisch, analysieren, was und warum es passiert ist und wie sich alles weiter entwickeln wird. Und wenn man das versteht, kann man Maßnahmen ergreifen und ist dem Gegner einen Schritt voraus. Für Europa ist das viel schwieriger. Es gibt hier keinen volle Zusammenarbeit unter den Geheimdiensten der verschiedenen Staaten. Die europäischen Geheimdienste stecken in einem Dilemma. Sie wollen ihre nationale Identität bewahren, obwohl sie Teil einer Gemeinschaft sind. Sie teilen zu wenig Informationen, obwohl sie wissen, dass man für das Teilen auch etwas erhält. Das hält sie von echter Kooperation ab.

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..."Gefährder", die polizeibekannt sind und dennoch zuschlagen können:

Man muss die Geheimdienstarbeit dramatisch ausbauen. Nur zur Veranschaulichung: In Großbritannien gibt es rund 3.000 Menschen in der muslimischen Gemeinschaft mit Kontakten zu ultra-radikalen Gruppen. 500 davon gelten als aktiv involviert und gefährlich. Diese 500 müssten rund um die Uhr strikt beobachtet werden. Man kennt ihre Namen, hat aber nicht ausreichend Sicherheitspersonal, um sie zu beobachten. Die technischen Mittel allein reichen nicht, es braucht einen gewaltig größeren Einsatz. Die Briten haben jetzt als Reaktion auf die Anschläge mehr Leute engagiert. Aber das soll ja nicht heißen, dass andere Länder erst darauf warten müssen, dass ihnen zustößt, was den Briten passiert ist.

... die Bedrohung durch heimkehrende IS-Kämpfer:

Manche Terroristen sind nach Syrien oder in den Irak gegangen, um im Kalifat zu leben. Sie werden bis zum Ende kämpfen. Andere sehen, dass es keinen Sinn macht und werden nach Hause zurückkehren. Dort werden einige aber auf die eine oder andere Art, vielleicht auch erst nach einer gewissen Zeit, aktiv werden. Das bedeutet nicht unbedingt Terrorattacken. Es kann auch nur heißen, zu predigen oder sich zu engagieren für den Sieg des Kalifats. In ihren Augen ist ihr Kampf eine lang andauernde Schlacht gegen den Westen. Und zudem muss man sich in Europa fragen: Was tun mit den großen Bevölkerungsteilen, die mit dieser Philosophie liebäugeln und die Terrorattacken rechtfertigen? Die sind ja schon da. Europa muss nicht nur seine Grenzen verteidigen. Es muss auch genauer darauf achten, was im Inneren passiert.

... einen Wechsel der Perspektive bei der Suche nach den Ursachen für Terror:

Ein weiterer Fehler Europas liegt in der irrigen Annahme, dass man weniger Terror hätte, wenn man soziale, historische und politische Fehler des Westens ungeschehen machen oder ausbessern könnte. Aber es liegt nicht an der Ungerechtigkeit oder den politischen Fehlern des Westens. Nicht sie stehen am Ursprung des Terrors. Es ist der radikale Islam, der problematisch ist. Was radikale Islamisten wirklich motiviert, ist ihre ganz spezielle Weltsicht. Sie sagen, die westliche Welt ist verderbt und satanisch, und sie sagen, diese Welt muss sich ändern.

...die erforderlichen Mittel, den Terror zu bekämpfen:

Das Wichtigste ist, die andere Seite zu überzeugen, dass sie uns nie so weit bringen werden, unsere eigene Ideologie aufzugeben. Ziel muss der Sieg unserer westlichen Werte sein. Unser Freiheit, Menschenrechte, das Recht auf Glück, das Leben an sich – sie sind wertvoll. Und wir sind bereit, den Krieg über die Bedeutung des Leben zu gewinnen. Der Kampf gegen den Terror – das ist ein ideologischer Kampf. Und natürlich gibt es viele Aktivitäten, die ergriffen werden müssen. Prävention, Schutz, Abschreckung, eine ganze Kette von Maßnahmen. Man muss absolute Entschlossenheit zeigen. Und der Gegner muss auch spüren, dass der Preis für ihn und seine Anhänger zu hoch ist, gegen uns zu kämpfen.