Politik/Ausland

Diplomatische Eiszeit zwischen Prag und Moskau mit wirtschaftlichen Folgen

Die schweren Vorwürfen Tschechiens gegen Russland zogen am Wochenende Konsequenzen nach sich. Nachdem Prag am Samstag 18 Beschäftigte der russischen Botschaft ausgewiesen hat, folgte am Sonntag eine weitere Aktion gegen Moskau. Denn auch der tschechische Industrie- und Handelsminister will nun offenbar Konsequenzen ziehen.

Der Hintergrund: Tschechien wirft Russland vor, an der Explosion eines Munitionslagers mit zwei Todesopfern im Jahr 2014 beteiligt gewesen zu sein. Innenminister Jan Hamacek, der aktuell auch das Außenministerium führt, sagte, es handle sich um Agenten.

Industrie- und Handelsminister Karel Havlicek sagte daraufhin am Sonntag dem TV-Sender Prima, er erachte es nach der Ausweisung von russischen Diplomaten für fast ausgeschlossen, dass sich die russische Firma Rostatom an der Ausschreibung zum Ausbau des Kernkraftwerks Dukovany beteiligen könnte. Tschechien will das umstrittene AKW, das nur etwa 50 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt liegt, erweitern. Die tschechische Atombehörde erteilte dem Bau von zwei neuen Reaktoren in Dukovany im März die Genehmigung.

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Laut Havlicek wird die Regierung in einer Sitzung am Montag darüber entscheiden. "Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, dass Rosatom zur Bewertung des Sicherheitsrisikos von Dukovany-Bietern zugelassen wird", sagte Havlicek. Bisher waren vier Bewerber um den Auftrag im Spiel: die französische EdF, die südkoreanische KNHP, die US-amerikanische Westinghouse und die russische Rosatom. Der chinesische Bewerber CGN soll vom Tschechischen Energiekonzern (CEZ) nicht angesprochen werden, hieß es.

Der tschechische Staat werde Rosatom wahrscheinlich nicht einmal zum Verfahren zur Bewertung des Sicherheitsrisikos einladen, sagte Havlicek laut tschechischer Nachrichtenagentur CTK im Fernsehen Prima.

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Diplomatische Eiszeit

Tschechien wirft dem russischen Geheimdienst GRU vor, in die Explosion eines Munitionslagers in Vrbetice, Südmähren, im Jahr 2014 verwickelt gewesen zu sein. Dabei wurden zwei Beschäftigte einer Rüstungsfirma getötet.

Als Reaktion darauf wies Prag 18 russische Botschaftsmitarbeiter aus, die eindeutig als Mitarbeiter der Geheimdienste SWR und GRU identifiziert worden seien, so Innenminister Jan Hamacek am Samstag.

Ministerpräsident Andrej Babis sprach am Wochenende von "eindeutigen Beweisen". "Tschechien ist ein souveräner Staat und muss auf diese nie dagewesenen Enthüllungen in entsprechender Form reagieren", sagte Babis. Der Präsident des Senats, Milos Vystrcil, sprach von "Staats-Terrorismus".

Alte Bekannte

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Die tschechische Polizei veröffentlichte Fahndungsfotos von zwei Tatverdächtigen. Bei den beiden Verdächtigen handelt es sich um Anatoliy Chepiga and Alexander Mishkin, zwei russische Geheimdienst-Agenten, die internationalen mittlerweile bekannt sind. Sie werden im Zusammenhang mit dem Nowitschok-Angriff auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia im März 2018 im britischen Salisbury gesucht.

Die beiden mutmaßlichen GRU-Spione waren nach Polizeiangaben Mitte Oktober 2014 sechs Tage lang in Tschechien. Dabei hätten sie sich - wie später in England - als Alexander Petrow und Ruslan Boschirow ausgegeben. Sie hätten auch die Region Zlin besucht, in der sich das Munitionslager befindet.

Das Lager wurde von Rüstungsfirmen genutzt. Nach einem Bericht des Magazins Respekt war ein Teil der Güter für die Ukraine bestimmt, die im Osten gegen prorussische Separatisten kämpft. Nach den Explosionen waren Soldaten zwei Jahre lang damit beschäftigt, Blindgänger zu entschärfen und das Areal wieder sicher zu machen.

Russland weist jede Verwicklung in den Fall Skripal zurück. Prag sei sich sehr bewusst, was auf "solche Art von Spielen" folge, sagte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, nach Angaben russischer Medien.

Großbritannien unterstütze Tschechien "voll", sagte Außenminister Dominic Raab am Sonntag. Tschechien informierte unterdessen NATO und EU über den Vorfall. Dieser soll auch Thema der EU-Außenminister bei ihren Online-Beratungen am Montag sein, hieß es am Sonntag in Prag. In Brüssel wurde dies laut Nachrichtenagentur Reuters bestätigt.

 

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