Politik/Ausland

Die große Salvini-Show: Italien wartet auf "Showdown"

Er werde die Italiener auffordern, ihm „alle Befugnisse“ zu geben, tönte Matteo Salvini am Donnerstag. Seit Tagen zieht er durch Italien, lässt sich am Strand mit nacktem Oberkörper und Cocktail in der Hand fotografieren, gibt im Fußballdress Interviews zu Schleppern im Mittelmeer – oder stellt sich, wie in Pescara am Donnerstag vor Tausenden Anhängern auf eine Bühne, um sich zu Puccinis „Nessun Dorma“ – niemand schlafe – feiern zu lassen.

Salvinis PR-Feldzug, der am Freitag in der Forderung nach Neuwahlen gipfelte, ist perfekt getimt. Während die Regierung im Urlaub ist, kennen die italienischen Medien mitten im Sommerloch so nur ein Thema: Salvini. Auch am Samstag und Sonntag standen gleich eine ganze Reihe von Terminen am Programm. 

Die Umfragewerte seiner Lega waren auch zuvor schon im Allzeit-Hoch. Bis zu 38 Prozent werden prognostiziert. Er habe den Sommer vor allem damit verbracht, auf die Umfragen zu schauen, erklären sich italienische Medien denn auch Salvinis Drang zu raschen Neuwahlen. Man geht von Neuwahlen Ende Oktober aus.

Bestätigt Salvini dann etwa das Ergebnis der EU-Wahl, wo seine Lega 34 Prozent holte, könnte er möglicherweise sogar allein regieren, oder – und das ist realistischer – eine Koalition mit einem kleinen Partner eingehen. Die neo-faschistische Partei Fratelli d’Italia würde sich da zum Beispiel anbieten. Geführt wird sie von einem gewissen Caio Giulio Cesare Mussolini – ein Urenkel des „Duce“.

Mit Salvini ist in Italien also noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Aber auch das, was Italien unter einem Ministerpräsidenten Salvini blüht, ist am rechtesten Rand der neuen Rechtspopulisten zu verorten. Jörg Seisselberg, der Hörfunkkorrespondent des ARD-Studios in Rom meinte gar, Salvini sei der "gefährlichste Populist Europas" mit realistischen Chancen auf den Posten des Regierungschefs "in einer Koalition, die ihn in seinem teilweise rechtsextremen Kurs, seiner Hetze gegen Ausländer und gegen Europa nicht bremsen, sondern eher bestärken würde." Ein Kommentar, der Salvini überhaupt nicht gefiel. "Wir sind nicht mehr in den 30er-Jahren, in unserem Land gibt es keine Hitler am Horizont und wer Italien regiert, entscheiden die Italiener!", konterte er auf Twitter

Was Seisselberg gemeint haben könnte, davon konnte man sich in den vergangenen vierzehn Monaten, in denen die Lega noch als Juniorpartner mit der populistischen 5-Sterne-Bewegung agierte, einen Eindruck verschaffen.

Hemmungslose Beschimpfungen

Salvini verglich Italien mit einem Flüchtlingslager unter freiem Himmel. Bootsflüchtlinge bezeichnete er als Kreuzfahrttouristen, für die das Vergnügen ein Ende habe. Anfang des Jahres wollte Salvini Roma und Sinti in Italien erfassen. Nach Kritik in den Medien legte Salvini, noch einmal nach. Roma-Kinder würden von ihren Eltern „das Stehlen“ lernen, stellte er pauschal fest. Einer Roma-Frau ließ er vor der Kamera ausrichten: "Scheiß Zigeunerin, du wünschst mir ein Projektil, ich komme bald mit dem Bagger. Ciao!"

Bis Salvini am Ziel seiner Träume mit "allen Befugnissen" ist, gilt es aber noch einige entscheidende Hürden zu nehmen. Am Montag und Dienstag stehen im Senat und in der Abgeordnetenkammer Treffen der Fraktionsvorsitzenden an. Sie sollen entscheiden, ob die Abgeordneten vorzeitig aus dem Urlaub geholt werden sollen, um zunächst über das von Salvini am Donnerstag angekündigt Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Conte abzustimmen.

Neuwahl wohl Ende Oktober

Über eine Neuwahl entscheidet dann Staatspräsident Sergio Mattarella. Er kommt aber erst ins Spiel, wenn der Rücktritt der Regierung formalisiert ist. Bevor er das Parlament auflöst, dürfte er zunächst sondieren, ob es eine alternative Mehrheit gibt - was allerdings als unwahrscheinlich gilt. Damit, dass sich die 5 Sterne Bewegung und die Sozialdemokraten gegen Salvini verbünden, rechnet niemand. Zu zerstritten sind die Lager. 

60 Tage nach einer Auflösung des Parlaments könnte dann als die Neuwahl stattfinden. Vor Ende Oktober ist diese aber unwahrscheinlich.

In Italien wird für möglich gehalten, dass Mattarella eine Expertenregierung einsetzen könnte, die mit der Ausführung der Wahl beauftragt wird - und möglicherweise auch mit dem Entwurf eines Haushaltsgesetzes. Bis zum 15. Oktober müsste Italien eigentlich seinen Haushaltsplan an die EU-Kommission schicken.