Trennungsgerüchte: CSU geht auf Distanz zu CDU
Von Evelyn Peternel
Offen sagen würde das niemand. Trennung? Spaltung? Bundesweites Antreten? Davon spricht in der CSU natürlich keiner.
Die Drohung kommt nur hinter vorgehaltener Hand – oder im Subtext. Wenn CSU-Chef Horst Seehofer jetzt, nach dem schlechten CDU-Abschneiden bei den Landtagswahlen, davon spricht, dass es keine "Ewigkeitsgarantien" für den Fortbestand der Union aus CSU und CDU gibt, wenn er vor dem "Zerfall der Union" warnt, schwingt immer mit, was man in Berlin den "Geist von Kreuth" nennt: Die Vorstellung, die CSU könnte außerhalb Bayerns antreten – und so der großen Schwester Stimmen abjagen.
Der Mythos, der hier beschworen wird, leistet den Bayern seit 40 Jahren gute Dienste. Damals, im Jahr 1976, probte CSU-Urgestein Franz Josef Strauß im Machtkampf mit CDU-Chef Helmut Kohl genau diesen Aufstand: In Wildbad Kreuth, dem seit damals legendären Tagungsort der CSU, kündigte der Bayer die Zusammenarbeit in der Fraktion mit der CDU auf – eine Eiszeit war die Folge.
Krisentreffen
Seehofer weiß: Letztlich ist die Trennung, die ihm immer wieder als Argumentationshilfe dient, eine stumpfe Waffe – das musste auch Strauß erleben. Nur drei Wochen, nachdem er dem von ihm als "Filzpantoffelpolitiker" und "total unfähig" bezeichneten Kohl die Gefolgschaft aufgekündigt hatte, ruderte er zurück – Kohl drohte seinerseits damit, mit der CDU in Bayern "einzumarschieren". Das wäre auch bei Seehofer und Merkel der Fall: Träte die CSU bundesweit an, würde sich die CDU auf Bayern ausdehnen – die Alleinregierung wäre damit Geschichte.
Für die große Schwester wäre – abgesehen von Emotionen und Optik – eine bundesweite CSU zwar kein massives Problem; die beiden würden getrennt vermutlich anfangs sogar mehr Wähler erreichen, ergab eine INSA-Umfrage im Herbst. Die CDU bliebe stabil, weil sie auch Wähler links der Mitte anspricht, die CSU würde sich auf 14,5 Prozent verdoppeln. Auch bei der Landtagswahl hat sich dies gezeigt: 57 Prozent der AfD-Wähler in Sachsen-Anhalt, 61 Prozent in Baden-Württemberg und sogar 72 in Rheinland-Pfalz hätten sich gefreut, wenn die CSU zur Wahl gestanden hätte.
Alternative zu Alternative
Auf Sicht will man eine Trennung aber natürlich vermeiden – denn ohnehin ist es nicht nur die Zahl der Flüchtlinge, die beide Parteien umtreibt, sondern auch die Zahl der zur AfD wandernden Wähler. Das offenbart auch Seehofers Dilemma: Je lauter er ist, desto weiter rechts erscheint er – Beobachter geben sich darum skeptisch, ob es so gelingt, Wähler zurückzugewinnen. Dass sich die CSU als "Alternative zur Alternative" präsentiere, dass manch CSUler – wie Ex-Innenminister Friedrich – gar eine Koalition mit der AfD nicht ausschließt, stütze diese noch, heißt es – weil ihr der Schmuddelkind-Faktor genommen werde. Merkel selbst wirft Seehofer Ähnliches vor. In ihrer Regierungserklärung, die sie noch vor dem Treffen abgab, signalisierte sie ihm auch kein Entgegenkommen. Sie sprach von der europäischen Lösung als dem "einzigen Weg, der langfristig Erfolg verspricht" – und von nationalen Plänen als "Scheinlösungen", die die Sorgen der Bürger auf Sicht größer werden ließen.