Politik/Ausland

Merkels neues Problem heißt Petry

Der Zufall hätte nicht besser Regie führen können. Dass Angela Merkel und Frauke Petry ihre Pressekonferenzen zeitgleich abhalten würden, war natürlich von keiner Seite geplant; es war aber durchaus passend: Das Fernduell ging so in die Verlängerung.

Dafür oder dagegen

Merkel gegen Petry, so lautete die Frage am Sonntag nämlich auch – zwar hatten die beiden nicht persönlich zur Wahl gestanden, wohl aber ihre Politik. Von "Zäsur" sprach manch ein Kommentator – nicht, weil die CDU einige Prozente verloren hatte; nein, die Polarisierung dieser Wahlen war es, die irritierte. Für oder gegen Merkels "Willkommenspolitik" – das war die Frage.

Ausgegangen ist das Duell nicht eindeutig, könnte man sagen. So paradox es klingen mag: Dass CDU-Kandidatin Julia Klöckner in Rheinland-Pfalz deutlich hinter der SPD landete, dass der selbst in der Partei nicht gerade beliebte Guido Wolf in Baden-Württemberg am Grünen Winfried Kretschmann scheiterte, wertete sogar die CDU selbst nicht als Absage an Merkels Politik – sondern als Zustimmung; schließlich hatten sich die beiden nicht gerade mit Merkel solidarisiert. Die Kanzlerin selbst bemühte sich zwar nach Kräften, dieses Narrativ nicht selbst in die Welt zu setzen, schickte aber ihre Vertrauten vor, um die Deutung vorzunehmen – Ursula von der Leyen etwa, die bei Anne Will ganz selbstverständlich erklärte, "die Linie der Kanzlerin" habe gewonnen.

"Schwerer Tag"

So weit ging Merkel selbst natürlich nicht. Dennoch geriet ihr Statement nach dem Wahltag zu einer Bekräftigung ihrer Politik: Zwar räumte sie ein, dass es ein "schwerer Tag für die Christlich-Sozialen" gewesen sei; Änderungsbedarf leitete sie daraus aber keinen ab. "Vom Grundsatz her werde ich das so weiter verfolgen, wie ich das in den letzten Monaten getan habe", sagte Merkel gewohnt verklausuliert.

Manch einer in der Partei sieht das natürlich nach wie vor anders; das hat sich auch nach der Wahl nicht geändert. Allein, in der CDU ist man derzeit sehr still, was Kritik an der Kanzlerin betrifft – nicht so aber in Bayern: Horst Seehofer, der vor der Wahl überraschend wortkarg war, ist am Tag danach wieder in seinen üblichen Kritik-Modus zurückgekehrt – Tiefschläge inklusive. "Wir brauchen eine andere Politik", ließ er Merkel am Montag ganz dramatisch ausrichten – es gehe schließlich "um die Existenz von CDU und CSU".

Schmuddelkinder

Seehofers Angst ist freilich übertrieben, wenngleich nicht ganz unbegründet. Ihr Auslöser saß nämlich während seines Statements in der Bundespressekonferenz. Frauke Petry und ihre Getreuen zelebrierten dort ihren Wahlerfolg – eine Premiere für die Partei, die offensiv versuchte, vom Image als politische "Schmuddelkinder" loszukommen. Ihren fulminanten Wahlerfolg hatten die Rechtspopulisten am Sonntag nämlich noch in einem abgeschiedenen Ort im Berliner Osten feiern müssen – das eigentlich gebuchte Hotel hatte sie ausgeladen.

Mit solcherlei Ausgrenzung soll nun Schluss sein. "Wir wollen eine Partei des sozialen Friedens sein", gab Parteichefin Frauke Petry die Losung vor – man bemüht sich, in die Mitte vorzustoßen; man macht auf Volkspartei. Das erscheint angesichts der Tatsache, dass die AfD am Sonntag Wähler aus allen Parteien abgezogen hat, nur logisch – gerade im Osten flogen ihr nämlich auch viele Stimmen der Linken zu; klassische Protestwähler eben.

Dieses Potenzial will die AfD nun ausschöpfen – ohne Negativ-Image. Deshalb versucht man sich auch, von der FPÖ ein bisschen abzugrenzen: Den gemeinsamen Auftritt von Petry und Strache in Düsseldorf relativierte man sogleich; der hätte genauso mit ÖVP oder SPÖ stattfinden können, hieß es da. Und um Verwechslungen gänzlich auszuschließen, fügte Petry noch halb scherzhaft an: "Herr Strache ist nicht mein Lebensgefährte."

Die neue Volkspartei

Die AfD als Volkspartei, das ist auch, was die CDU derzeit nervöser macht als jede parteiinterne Diskussion – das zeigt auch Merkels Reaktion auf Seehofer. Sie maßregelte ihn sogleich, dass Streit in der Partei der AfD nur Wähler zuschanze – für die sei "das nur schwer auszuhalten", sagte sie.

Damit erinnert sie ihre Partei daran, nicht denselben Fehler zu begehen wie die SPD einst: Die stand nämlich beim Erstarken der Grünen und der Abspaltung der Linken vor einem ähnlichen Problem – und stritt sich deshalb maßlos. Ihren Status als "Volkspartei" hat die SPD daraufhin – auch bedingt durch Merkels Strahlkraft – vielerorts schon verloren (siehe unten).

Frauke Petrys am Montag ganz locker hingeworfener Satz dürfteim CDU-Parteivorstand deshalb die auch Alarmglocken klingen lassen: "Es stellt sich schon die Frage, wer mehr Volkspartei ist – die SPD oder wir", sagte sie da.

Das klingt mehr nach einer Ansage als nach einer Feststellung.

Fragen? Sind hier heute nicht erlaubt. In der SPD-Inszenierung nach der Landtagswahl fokussiert sich alles auf die Gewinnerin. Malu Dreyer, die heute im weißen Blazer neben ihrem Parteichef strahlt, hat schließlich trotz denkbar schlechter Ausgangslage Rheinland-Pfalz in roter Hand halten können. "Dass die SPD Wahlen gewinnen kann und Volkspartei ist, das haben wir in Rheinland-Pfalz erlebt", sagt Parteichef Sigmar Gabriel stolz.

Dass sie auch Wahlen verlieren kann, behandelt er nur knapp. Das Wörtchen "Niederlage" will ihm nicht über die Lippen kommen, als er die beiden desaströsen Ergebnisse in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt kommentiert. "Schade" sei es, dass man in den beiden Ländern verloren hat; wie heftig, erwähnt er nicht: Die SPD verlor in beiden Ländern gut die Hälfte ihrer Stimmen und landete jeweils auf Platz vier.

Weder für Selbstkritik, noch für Nachfragen von Journalistenseite ist hier Platz. Den Grund für das schlechte Abschneiden sucht Gabriel nämlich weder in den Landesverbänden – sie waren beide Juniorpartner in den jeweiligen Regierungen – noch in der Bundespartei; schuld sei die AfD, die massiv Wähler mobilisiert habe.

Dass sich die SPD deshalb aber nun inhaltlich mit der "Alternative" auseinandersetzen müsse, will Gabriel mit aller Kraft vermeiden. "Wir werden den Populisten nicht hinterherlaufen."

Den beiden Wahlverlierern schenkt er zum Abschluss einen gleich großen Blumenstrauß wie Dreyer – als er ihr die Blumen überreicht, wirkt er allerdings besonders erleichtert. Schließlich hat ihm ihr Sieg eine Diskussion über sein Amt erspart –zumindest vorerst.

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