Politik/Ausland

Demo gegen Erdogans autoritären Kurs

Die türkischen Staatsträger hatten am Dienstag gleich doppelten Grund zum Feiern. Erstens wurde an diesem Tag vor 90 Jahren die Republik aus der Taufe gehoben. Und zweitens eines der weltweit größten und kompliziertesten Infrastrukturprojekte eröffnet: Ein gigantischer Bahntunnel unter dem Bosporus.

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Doch nicht alle stimmten in den Chor der Lob- und Huldigungsreden ein. In Istanbul hatte die Protestbewegung zu neuen Demonstrationen gegen Recep Tayyip Erdogan aufgerufen. Wie schon im Sommer bei den Auseinandersetzungen um den Gezi-Park warfen die Aktivisten dem türkischen Premier einen autoritären Führungsstil vor, der sich auch bei der bedingungslosen Verwirklichung von Großprojekten widerspiegle – wie eben auch beim Eisenbahntunnel unter dem Bosporus.

Unter Sultan Abdul Mejid (1839–1861) wurde der Tunnel erstmals angedacht. Erst unter Erdogan wurde 2004 mit den Bauarbeiten begonnen. Und jetzt könne die „Marmaray“-Verbindung täglich 1,5 Millionen der 14 Millionen Einwohner Istanbuls von Asien nach Europa bringen (und umgekehrt), sagte Transportminister Yildirim vor der Eröffnung.

Doch der Unterwassertunnel reicht dem Regierungschef, der einst Oberbürgermeister in seiner Heimatstadt am Goldenen Horn war, noch lange nicht, er hat noch weit Größeres vor: So soll im Norden des Bosporus’, schon fast an dessen Mündung ins Schwarze Meer, eine dritte Brücke entstehen. Zudem ist im Nordwesten der bevölkerungsreichsten Metropole Europas ein Flughafen mit sechs Rollfeldern geplant – er wäre einer der größten der Welt.

„Sultan Erdogan“

Das umstrittenste und finanziell aufwendigste Vorhaben ist eine Art zweiter, künstlicher Bosporus, der das Schwarze mit dem Marmara-Meer verbinden soll (Kosten: acht bis zehn Milliarden US-Dollar). Dieser soll die Luftverschmutzung eindämmen und die Gefahr von Tanker-Kollisionen in der alten Fahrrinne verhindern, durch die sich derzeit pro Jahr 10.000 Schiffe zwängen, die 150 Millionen Liter Öl- und Öl-Produkte transportieren.

Umweltschützer laufen dagegen Sturm und sehen das Öko-System einer gesamten Region bedroht. Doch offiziell wird der Plan unter „Sultan Erdogan“ weiter vorangetrieben, Bedenken werden in den Wind geschlagen. Zu den 100-Jahr-Feiern der Republik, also 2023, soll der 50 km lange Kanal fertiggestellt sein.