AfD gibt sich ein Programm: Grenzgang zwischen rechts und realitätsfern
Von Evelyn Peternel
"Wir müssen das Thema Islam mit einem Knall öffentlich machen!"
Als Beatrix von Storch im März diese Parole in einer vertraulichen Mail an ihre Parteifreunde ausgab, hatte sie vor allem eines im Blick: Die Flüchtlingskrise war abgeebbt, und die AfD, gestärkt durch Wahlsiege, brauchte dringend ein neues Thema. Knapp zwei Monate später scheint ihr Plan mehr als aufgegangen zu sein. Kein Tag vergeht, ohne dass eine Anti-Islam-Schlagzeile zu lesen ist – der Islam gehöre nicht zu Deutschland, tönt es da; ein Minarett- und Muezzin-Verbot müsse her, so die AfD. Eine kalkulierte Provokation mit Folgen: CDU und CSU sprangen am Freitag auf den Zug auf und forderten mehr Überwachung für Moscheen – der Zentralrat der Muslime fühlte sich indes derart diffamiert, dass er Parteichefin Frauke Petry zu sich einlud. Man wolle eine Erklärung, warum die Partei Muslime hasse, so deren Vorsitzender.
Druck von rechts
Die AfD hat wieder ein Thema gesetzt – und das, obwohl ihr Kurs in dieser Frage selbst nicht einig ist. Der Partei steht am Wochenende beim Parteitag in Stuttgart nämlich der Beschluss ihres Grundsatzprogramms bevor. Sie gibt sich damit eine Antwort auf die drängende Frage, wie weit rechts sie sich verortet – und ob Frauke Petry weiter an der Spitze stehen soll.
Solche Untergriffe scheinen selbst der scharfzüngigen Parteichefin zu viel. Sie ließ Höcke ausrichten, dass es eine "rote Linie nach rechts" gebe – man müsse sich fragen, ob die AfD "eine konservativ-liberale oder eine nationalkonservativ-soziale Partei" sein wolle, und sollte es zu einem Rechtsruck kommen, wolle sie den Hut nehmen. Höcke ließ sie damit auflaufen – er entgegnete, dass er "keine Notwendigkeit sehe, sich grundsätzlich für einen bestimmten Kurs zu entscheiden".
Ein Machtkampf auf offener Bühne scheint also durchaus möglich, zumal Petry, das einstige Liebkind der Partei, zunehmend isoliert dasteht. Seit sie und ihr neuer Lebensgefährte, AfD-Parteikollege Marcus Pretzell, sich in der Bunten inszenierten, fremdeln viele Parteigänger mit ihr – Pretzells Aussage, Petry habe etwas "dämonenhaft Schönes", schien einigen zu viel gewesen zu sein.
Krude Ideen
Gestritten dürfte am Wochenende aber auch über anderes werden. Im Programmentwurf finden sich nämlich so einige fragwürdige Positionen – wie etwa jene, die den Klimawandel als Lüge einordnet und der deutschen Regierung unterstellt, sie strebe durch ihre Klimaschutzpolitik eine "Transformation der Gesellschaft" an. Was genau darunter zu verstehen ist, darüber diskutieren die 2000 Parteigänger übrigens unter Polizeischutz. 1000 Beamte wurden nach Stuttgart beordert – man erwartet Ausschreitungen.